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Blaue Stunde

Kulturzentrum Wandsbek
Blaue Stunde

Lasziv wie die Dietrich: Christa Krings als Chanteuse Greta Keller mit Pianist Matthias Stötzel

Text: Debra Steinhaus

Die Bühne ist hell erleuchtet, der Pianist bereit – und dann erfüllt eine Stimme den Raum. Mit Verzögerung bekommt der berührende Klang einen Körper: Christa Krings tritt – für die meisten noch unsichtbar – seitlich vom Zuschauerraum auf und singt „Blue Moon“ aus der Dunkelheit. Und während die Blicke der Zuschauer sie suchen, nimmt sie ersten Kontakt auf, lächelt und flirtet mit dem Publikum. Die Bühne kann noch einen Moment warten.

„Blaue Stunde“ heißt der Abend, der Greta Keller gewidmet ist, die völlig zu Unrecht in Vergessenheit geriet. Die Hamburger Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Christa Krings lässt die Erinnerung an die schillernde Künstlerin in ihrem Soloabend wieder aufleben, in Begleitung des Pianisten Matthias Stötzel und mit Giovanni Zocco als Tanzpartner.

Mit anregenden Gedanken zur sogenannten blauen Stunde beginnt das Programm: Krings sinniert über die besondere Stimmung zwischen Tag und Nacht, über jene Minuten in der Dämmerung, die mitunter magische Atmosphäre verbreiten. Matthias Stötzel hält sachlich dagegen und liest eine wissenschaftlich fundierte Definition zum Azur des Himmels vor … Damit sind die Rollen geklärt: Sängerin und Klavierspieler lassen sich immer wieder auf pointierte Dialoge miteinander ein, musikalisch in großartiger Harmonie und verbal im gewandten Schlagabtausch.

Den erotisch aufgeladenen Song „Johnny, wenn du Geburtstag hast“ machte Marlene Dietrich bekannt – doch war es Greta Keller, bei der sich der spätere Weltstar die laszive Art abgeschaut hatte, das Tango-Lied zu interpretieren. Auch Christa Krings trifft bei Johnny den passenden, verruchten Ton, kann für „A Fine Romance“ aber ebenso überzeugend trotzig und frech klingen. Die Bandbreite, die ihr stimmlich und darstellerisch zur Verfügung steht, ist enorm: Melancholisch wird sie, „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt“, sehr souverän hingegen erteilt sie einem Verehrer eine Abfuhr und rät „Geh’ schlafen, mein Junge“. Schlüssig unterbrochen werden die Lieder von kurzen Geschichten aus dem ereignisreichen Leben der Greta Keller, die sich als Bilder einer Persönlichkeit mit den musikalischen Eindrücken des Abends zu einem sinnlichen Ganzen zusammenfügen.

Frappierend sind die biografischen Gemeinsamkeiten zwischen Keller und Krings: Beide begannen mit Ballettunterricht, wurden dann Schauspielerinnen und entdeckten schließlich ihre Leidenschaft für den Gesang. Und wie die Diva der Zwanziger Jahre, singt auch die heutige Interpretin in deutscher, englischer und französischer Sprache. Und lässt nach zwei Stunden ein begeistertes Publikum zurück.

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