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Der Bär, der nicht da war

Fundus Theater
Der Bär, der nicht da war

Das philosophische Gespräch kommt ins Rollen: Bär (Theresa Horeis) und Pinguin (Lisa Tschanz)

Text: Angela Dietz | Foto: Steffen Baraniak

„Der Bär, der nicht da war“ beginnt verheißungsvoll. Beim Kindertheatertreffen 2019 sieht das Publikum mit Licht gemalte, tanzende Krickel auf dem Boden, die anschwellen und sich verdichten, und hört dazu undefinierbare Geräusche. Parallel dazu liest die Erzählerin. Im philosophischen Bilderbuch von Autor Oren Lavie und Illustrator Wolf Erlbruch spricht der Text von einem großen Kratzen, das zu einem Bären wird. Damit gelingt dem Team von Regisseurin Cora Sachs (Bühne und Video: Kathrine Altaparmakov und Mara Wild) eine überraschende, schöne Umsetzung des Einstiegs.

Der Bär ist Schauspielerin Theresa Horeis, die in einem Kostüm steckt, wie eine überlebensgroße Puppe. Liebenswert tapsig stapft er in der Inszenierung ab fünf Jahren durch den kreisrunden Wald. Ganz minimalistisch der weiße Boden, der als Videoleinwand fungiert. Die Bäume sind wenige, ebenso weiße Pappaufsteller. Das fehlende Waldgrün schwirrt herab, nachdem Lisa Tschanz als Erzählerin die Seidenpapierstreifen und -kreise in die Luft geworfen hat.

Ist er der erste oder der letzte, fragt der Bär sich und das Publikum, das um den Kreis herum gruppiert ist? Und was ist besser? Ist er er? Und wo ist er, wenn er nicht da ist? Diese Fragen beschäftigen ihn bei seinen Spaziergängen. Weil er ein grundvergnügter, lebensfroher Bär ist, freut er sich wieder und wieder über den Duft der per Video gemalten Blumen, das eingespielte Gezwitscher der Vögel wie über seine eigenen philosophischen Fragen. Nichts bringt ihn aus der Ruhe. Jede Begegnung mit anderen Wesen ‒ dem Salamander, dem vorletzten Vorzeige-Pinguin, einem ätzenden Schlaumeier oder dem langsamsten Taxi der Welt, gefahren von der Schildkröte ‒ ist ihm Grund zur Freude. Am Ende findet er seine Behausung (wieder) – die zusammengeschobenen Pappbäume – und hat sich selbst erkannt.

Die Nebenfiguren, alle von Lisa Tschanz verkörpert oder geführt, machen das Bühnenspiel erst lebendig. Sehr komisch vor allem der Pinguin und das Schildkrötentaxi. Der am Stock geschobene, befrackte Vogel auf Rädern ist eine Mehrfachvergrößerung der allseits beliebten Watschelfigur. Lisa Tschanz als Schiebende zeigt ein überaus variantenreiches, saukomisches Mienenspiel und eine ebensolche Stimme. Nicht immer ist der Text gut zu verstehen, die Holzfigur rollt nicht geräuschlos. Reibungslos hingegen gelingen die Rollenwechsel. Für die Schildkröte hat Bühnenbildnerin Altaparmakov ein tolles Gerät als Taxi gefunden: ein altes rotes Kinderdreirad ohne Pedale, das ähnlich wie eine Draisine funktioniert ‒ sehr zum Vergnügen der vielen Erwachsenen im Publikum.

Das Bärenkostüm verlangt Theresa Horeis einiges ab, vor allem beim Sprechen. Meist ist sie gut zu verstehen. Manchmal jedoch wünscht man sich noch eine Wiederholung von Kernsätzen, da sie, am Kreisrand zum Publikum gesprochen, zuweilen für die andere Hälfte schwer zu hören sind. Die kreisrunde Bühne bietet zwar einiges an Potenzial, schränkt zusammen mit dem überlebensgroßen Kostüm aber auch ein. Querungen des Waldes sind eher rar.

Die riesige Figur strahlt etwas Kuscheliges aus, wie Kinder es mögen, und ist schön tapsig. Doch ist dadurch auch die Bewegungsfähigkeit der der Figur sehr eingeschränkt. Sie kann nicht im Liegen nachdenken, tanzt nicht und sitzt auch nie. Vielleicht hätte ein erkennbares Bärenkostüm in Konfektionsgröße, wie bei der Schildkröte, mehr Spielmöglichkeiten zugelassen.

Dem Team um Cora Sachs ist eine teilweise sehr komische Umsetzung des Bilderbuchs gelungen, das mit den aufgeworfenen philosophischen Fragen eine Herausforderung für die Bühne ist. Die liebevolle Inszenierung bleibt dicht am Text, zu ihrem Vorteil. Nur am Ende der 40 Minuten singt der Bär einen Song, der textlich abweicht, sich aber gut einfügt.

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