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Der Zauberberg

Hamburger Sprechwerk
Der Zauberberg

Die Ärztin (Jasmin Buterfas) prüft Hans (Guido Bayer) auf Herz und Nieren

Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Hamburger Sprechwerk

Man durfte gespannt sein, ob und wie die Bühnenfassung, herausgefiltert aus dem mehrbändigen „Zauberberg“ des großen Thomas Mann aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts den Ansprüchen unserer scheinbar verwöhnten Sättigung standhalte. Und tatsächlich, in der Hand der Regisseurin Gaby Schelle bewies sich poetische Dichtigkeit und Kraft, die in soviel moroser Zartheit des tiefgründigen Stoffes verborgen liegt. Man muss nur jede Figur mit einem atmenden Vollwesen, also einem guten Darsteller besetzen können und dann für Takt und Behutsamkeit sorgen – so zeigen sich keine gefühligen Klippen.

Mich hat bei der Premiere dieser ebenso eindrucksvollen wie für den Zuhörer (der hier mehr gefordert wird als der Zuschauer) anstrengenden Fassung das Wissen um Einsamkeit und Minutenglück bewegt, auch wenn ich die grundsätzliche Skepsis der Mann’schen Vorlage heutzutage nicht in ihrer Totalität nachzuvollziehen bereit bin. Denn, dass Liebe sich nur im Tode zu erfüllen vermöge, wir Menschen, die fast ein Jahrhundert nach der Entstehung des Romans leben, dürfen das etwas anders sehen und müssen uns diese depressive These nicht in jedem Moment vor Augen halten. Denn: In den handelnden Menschenfiguren – in dieser Bühnenfassung verständlicherweise personaliter aus mehreren jeweils zusammengefügt (die Arztfiguren beispielsweise glänzend komprimiert von Jasmin Buterfas) – die großen Urbilder zu ahnen, zu finden und zu würdigen, das macht ja wohl wahre Dichtkunst. Und von solcher Dichtertugend wurde an diesem Abend herrlich viel investiert.

In den Nöten irdischer Existenz: Guido Bayer als früh verwaister, schließlich unrettbar an Leib und Seele erkrankter Hamburger Patriziersohn Hans Castorp, gelingt ein ungemein glaubwürdiger Charakter (bei seiner Darstellung fiel mir das Goethe-Wort ein „Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt“), Esther Barth ähnelt zwar optisch keiner Asiatin, wie Mann sie sehen wollte, aber diese großartige Menschendarstellerin ist herausragend in ihrer poetischen Verlebendigung der Claudia Chauchat. Ihre Besetzung mit dieser zugleich heftigen, zarten, eminent menschlichen und kostbaren weiblichen Rolle erwies sich als vortrefflicher Griff.

Vorstellungen: 23., 24.8. und 19. bis 22.9., jeweils 20 Uhr

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