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Die verrückte Hutjagd

Theater Triebwerk im Fundus Theater
Die verrückte Hutjagd

Oma Hanne zwischen ihren heißgeliebten Kaffeetassen

Text: Angela Dietz | Foto: Theater Triebwerk

Das Wichtigste in Oma Hannes Leben ist ihr Hut. Ohne ihn geht nichts. Eines Morgens ist er verschwunden. Oma Hanne ist entsetzt und macht sich unverzüglich auf die Suche. Mit Uwe Schade am Cello und Heino Sellhorn am Kontrabass gerät Luzia Schelling als Oma Hanne unversehens auf eine verrückt-poetische Schnitzeljagd. Etliche Tassen Kaffee und viele Fundstücke später hat sie etwas Wichtiges wiederentdeckt: die Erinnerung an ein Stück Kindheit und die Befreiung vom Hut.

In der Regie von Nina Mattenklotz und der ebenso minimalistischen wie wunderschönen Ausstattung von Lena Hiebel gelingt es den drei Schauspielern und Musikern für die überbordenden Bilder von Sven Nordqvists Vorlage eine ganz eigene ästhetische Übersetzung zu finden. Die Fülle der Illustrationen und den Detailwitz überträgt das Theater Triebwerk auf den Bühnentext, die Musik und das Spiel. Das zuweilen Surreale des Bilderbuchtextes findet seine Entsprechung im Bühnenbild und -dialog. Während im Buch lediglich das Huhn an einer Stelle sprachlich lautmalt und holper-stolpert, greifen Schade und Sellhorn das auf, um auf der Bühne nicht nur beim Huhn eine Reim-Assoziationskette zu rattern und zu singen, dass es eine Lust ist. Auch Hund und Hase hecheln und sprechen ganz komisch. „… kalt, geschnallt, … Schuh, Wand, puh, Wand, Kuh, Handschuh …“. Der Witz erscheint nur vorübergehend als schöner Unsinn. Immer wieder entfaltet sich ein Bezug zum Bühnengeschehen, zur Geschichte, kann neuer Sinn entstehen. Geraten erwachsene Zuschauer darüber lächelnd ins Philosophieren, spüren die Kinder im Publikum schon am Sprachklang den Witz und brechen in lautes Gelächter aus.

Heino Sellhorn und Uwe Schade setzen ihre starken und vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten an Bass und Cello – wie bei den zahlreichen anderen Produktionen des Theaters Triebwerk – genau und maßvoll ein. Ein winziges Fundstück, klack, fällt auf den Boden, begleitet von einem Walking-Bass. Wie eine E-Gitarre kreischt das Cello, wenn Verkaufsleiter Kanini und Oma Hanne auf dem Bugatti abdüsen. Zarte Töne, wenige Töne, Klangteppich im Hintergrund, Liedbegleitung oder Tacet, alles ist am Platz. Schauspielerisch sind die beiden genauso überzeugend wie als Musiker. Eins durchdringt das andere. Sellhorn strotzt vor Kraft und Leidenschaft bei seiner Bluessänger-Einlage. Und obwohl die Zuschauer im Alter von fünf, sechs Jahren kaum den alten Hit von Steppenwolf kennen können, amüsieren sie sich köstlich.

Luzia Schelling als Oma Hanne – in der Vorlage ist die Hauptfigur ein Großvater – ist eine nicht nur sinnvolle Ergänzung für das eingespielte Duo Schade und Sellhorn. Mit lediglich zwei Spielern wäre die dramaturgische Umsetzung des Bilderbuchs schwierig geworden. Schelling balanciert ihren überdimensionierten Pappmaché-Kopf auf Oma Hannes eher zartem Körper und spielt mit beidem. Ein Wutanfall, ein paar Worte oder die Lust am Fahrtwind dringen stimmlich durch die Maske und kommen gut zum Ausdruck, auch ohne bewegtes Mienenspiel.

Auf der Bühne nimmt der Kopf großen Platz ein, wie um deutlich zu machen, was sich alles im Oberstübchen abspielen kann – was das Publikum zu sehen bekommt. Nach der wilden Motorradtour, einem Flug-Ritt zurück in die Jugend, setzt Oma Hanne den Helmkopf ab. Sie ist angekommen, fast. Denn sie verharrt nicht in der Erinnerung, sondern beginnt noch einmal – ohne Hut.

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