Kritik / Schauspiel

Ein Mensch brennt

Thalia Gaußstraße (Garage)

Text: Damar Ellen Fischer

Hamburg, am 16. November 1977. Während die SPD ihren Parteitag im relativ neuen Congress Centrum am Dammtor abhält, übergießt sich nur zwei Kilometer entfernt der Umweltaktivist Hartmut Gründler vor der St.-Petri-Kirche mit Benzin und zündet sich an; wenige Tage später stirbt er in einem Hamburger Krankenhaus. Es war das finale „Feuerzeichen“ dieses engagierten Lehrers gegen die Atomenergie-Politik der damaligen Bundesregierung, von dem er sich mehr versprach als von vorausgegangenen Protestaktionen wie Hungerstreiks und Drohbriefe an den Bundeskanzler Helmut Schmidt. Soweit die historischen Fakten. Die recherchierte der Journalist Nicol Ljubić, Jahrgang 1971, zwar über Jahre hinweg gründlich, doch nur um sie dann in einen Roman einzuarbeiten: „Ein Mensch brennt“ erschien 40 Jahre nach Gründlers Selbstverbrennung. Darin dichtet der Autor seiner zentralen Figur eine fiktive bürgerliche Familie an: Obwohl er dort nur zur Untermiete wohnt, entwickelt sich eine intensive Beziehung zur Mutter, die der Vater argwöhnisch beobachtet und die den Sohn gründlich irritiert.

Aus dem Roman entstand am Thalia Theater unter der Regie von Swen Lasse Awe nun ein großartiges Stück Theater: Auf der Bühne fehlt Hartmut Gründler, dennoch ist er der Mittelpunkt, der wie ein Vakuum mit enormer Anziehungskraft alles mit sich reißt. Um ihn herum agieren Sandra Flubacher, Tilo Werner und Julian Greis – aus dessen, des Sohnes Perspektive, wird der Weg in die Katastrophe erzählt: in Rückblenden, in denen der Schauspieler gekonnt hin und wieder in die einstige Kinderrolle fällt. Groß sei er gewesen, habe eingefallene Wangen gehabt und eine ungewöhnlich hohe Stimme, so erinnert er sich. Ergänzt werden die gespielten Situationen durch Zitate aus Gründlers Briefen und Flugblättern sowie von Kommentaren aus heutiger Sicht. Die dichte Atmosphäre entlädt sich zwischendurch in Musik – eine Mischung aus konservierten und Live-Klängen – und Julian Greis am Rhythmusinstrument Schreibmaschine.

Weitere Vorstellungen: 18.10., 7.11., 20 Uhr, Thalia Gaußstraße (Garage), Karten 20 Euro, Tel. 32 81 44 44

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