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Gertrud

Thalia in der Gaußstraße
Gertrud

Leere Gläser auf leerer Bühne

Text & Foto: Adrian Anton

„Liebe ist ein großes Wort“, sagt Gertrud – eine gebildete Frau und ehemalige Sängerin. Sie ist mit einem aufstrebenden Politiker verheiratet, dennoch unabhängig, aber auch unglücklich. Liebe ist in dieser Inszenierung nicht das einzige große Wort, denn der norwegische Regisseur Eirik Stubø inszeniert das 1906 geschriebene Stück „Gertrud“ des schwedischen Autors Hjalmar Söderberg als sehr reduziertes Erzähltheater, das dem Gesagten genügend Raum lässt. Bilder entstehen eher vor dem inneren Auge als auf der Bühne, denn die vier Darsteller agieren ruhig und sind sparsam mit Gesten, so dass die Dialoge im Vordergrund stehen.

„Dieses alte Leben ist tot, begraben.“

Maja Schöne spielt Gertrud als unabhängige und stolze Frau, die nicht bereit ist, sich mit „dem gewöhnlichen Leben gewöhnlicher Frauen“ abzufinden. Sie bricht mit ihrem Ehemann Gustav Kanning (Tilo Werner), der zwar „furchtbar klug“ sowie „verständnisvoll und zartfühlend“ ist, aber den sie nicht mehr liebt. Sie wünscht sich mit ihrem jungen Liebhaber, dem Künstler Erland Jansson (Sven Schelker) wegzugehen, obwohl dieser sie öffentlich demütigt und sie sich bewusst ist, dass ihre Liebe nicht von Dauer sein wird. Ihr früherer Liebhaber Gabriel Lidman (Matthias Leja) versucht sie zu überreden, mit ihm fortzugehen, doch Gertrud will keine falschen Kompromisse, sondern entscheidet sich für ein ungewisses und unsicheres, aber selbst bestimmtes Leben. Was heute immer noch nicht selbstverständlich ist, war 1906 mit Sicherheit ein gesellschaftlicher Skandal.

„Frauenliebe und Männerwerk, die zwei sind Feinde von Anbeginn an.“

Am spannendsten ist „Gertrud“ an jenen Stellen, an denen diese starke Frau ihre Unabhängigkeit einfordert und mit den drei Männern bricht. In diesem Augenblick der Trennung reagiert jeder der Männer äußerst brutal, vor allem ihr ansonsten so beherrschter und verständnisvoller Ehemann. Ob Besitzdenken, Verlustängste oder verletzter männlicher Stolz die Ursache sind, wird nicht benannt. Und genau daran liegt die Stärke dieser Inszenierung von Eirik Stubø: Es wird nicht alles gesagt, was zwischen den Zeilen zu lesen ist, und es wird auch nicht alles gezeigt, was mit Gesten und vor allem Worten angedeutet wird. „Gertrud“ ist Theater, das zum genauen Hinhören und Hinschauen auffordert. Sehr reduziert, aber gerade dadurch sehr effektvoll.

Weitere Vorstellungen: 2., 9., 10.3. um 20 Uhr, 6.4. um 19 Uhr, Thalia in der Gaußstraße

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