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Hommage à Barbara

St. Pauli Kirche
Christa Krings

Ihrem Vorbild ganz nah: Christa Krings singt Chansons von Barbara

Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Horst Warneyer

Es ist winterlich kalt in der St. Pauli Kirche. Das Publikum trennt sich nur ungern von Mänteln und Jacken, während es auf die Vorstellung wartet. Doch die (gefühlte) Raumtemperatur steigt sofort mit dem Eröffnungslied: Pianist Matthias Stötzel und Sängerin Christa Krings beginnen die zweistündige „Hommage à Barbara“ mit dem Chanson-Klassiker, „Göttingen“.

Wem der Titel noch nichts sagt, dem wird per Moderation geholfen: Christa Krings erzählt die Entstehungsgeschichte des Liedes – und damit auch schon Wichtiges über die vor zwanzig Jahren verstorbene Barbara: Die 1930 in Paris geborene jüdische Künstlerin floh als Jugendliche vor den nationalsozialistischen, deutschen Besatzern gen Süden, nachdem sie die Unmenschlichkeit der Nazis gegen Juden hatte miterleben müssen. Als sie Anfang der 1960er Jahre als Sängerin in Frankreich Karriere machte, erreichte sie eines Tages auch eine Einladung aus Deutschland, die sie ohne Zögern ablehnte. Doch der Initiator, der damalige Intendant des Jungen Theaters Göttingen, gab nicht auf, und schließlich kam Barbara 1964 für ein Konzert in die deutsche Stadt. Aus dem geplanten einen Abend wurden mehrere Vorstellungen, und am Ende ihres Aufenthalts schrieb die Sängerin das berühmte Chanson über jene Stadt, deren Menschen sie mit so viel Herzlichkeit und Wärme empfangen hatten, „Göttingen“. Seither leistete dieses Chanson einen unschätzbaren Wert auf dem Weg zur deutsch-französischen Freundschaft, aus dessen Text sogar deutsche Bundeskanzler bei Bedarf passende Passagen in Frankreich zitieren. In der St. Pauli Kirche schlägt auch Christa Krings’ Interpretation an diesem Abend unmittelbar eine Brücke zum Publikum.

Eine melancholische Stimmung dominiert auch in den folgenden Liedern. Als die Sängerin für drei Chansons ins Französische wechselt, erläutert sie vorweg Gehalt und Atmosphäre, indem sie ausgewählte Textstellen übersetzt. So erfahren die Zuhörer, dass es in „Toi, l’homme“ um jenen einzigartigen Mann geht, neben dem es keinen anderen gibt, „nicht in meinem Herzen, nicht auf meiner Haut“, und der bald kommen möge. In „Parceque je t’aime“ verlässt die Interpretin ihren Geliebten, um ihn nicht verletzen zu müssen; und „Ce matin la“ erzählt vom Morgen nach einer Liebesnacht.

Zur Hommage gehört neben dem musikalischen Vermächtnis auch das Porträt der Persönlichkeit. Wenn Christa Krings von Barbara erzählt, entsteht das Bild einer bescheidenen „Frau, die singt“. In ihrer Moderation wechselt sie bruchlos und souverän zwischen Zitaten in Ich-Form und beschreibender Erzählung aus heutiger, distanzierter Sicht auf das Leben der Sängerin. Nicht zufällig wählte diese als Künstlernamen die „Fremde“: Ihre Kindheit war die Hölle, ihre Familie bot keinerlei Schutz, und die ersten Jahre in der selbst gewählten Selbständigkeit waren von Armut gezeichnet. Edith Piaf singen zu hören, wird zum Schlüsselerlebnis und Wendepunkt für Barbara.

Wie nah sich Christa Krings der Persönlichkeit dieser 1997 verstorbenen Künstlerin fühlt, wird in jedem gesprochenen und gesungenen Wort spürbar. Ihre starke und differenzierte Präsenz erweckt deren Lieder auf eine Weise zum Leben, die auch im bewegten Publikum unmittelbar einen Widerhall findet.

Nach der Pause setzt Christa Krings diese stets überraschende Mischung aus Moderation und Musik fort, in perfekter Abstimmung abwechslungsreich begleitet von Matthias Stötzel. „Hop’la“ beispielsweise besingt die Gemeinsamkeiten von Religion und körperlicher Liebe, die beide in den (siebten) Himmel führen; „ich habe nicht das Talent, mit jemandem zu leben, aber ich habe das Talent, gegenüber anderen einfühlsam zu sein“, gesteht Barbara in „Plus rien“.

„Die Bühne ist ohne Zweifel der einzige Ort, wo ich niemals gelitten habe“. Barbara alias Christa Krings sinniert über die Farbe des Leids und der Schmerzen, über schwarz: „Schwarz ist eine fantastische Farbe. Schwarz schützt vor der Sonne. Es hat viele Tugenden, das Schwarz. Es lässt  außerdem den Körper vergessen. Ich habe lange Zeit geglaubt, dass ich meinen Körper verschwinden lassen muss, um besser meine Stimme hören und spüren zu können, so dass man sie beinahe berühren kann, so dass all’ meine Energie den Liedern gegeben wird und nur ihnen.“

Der Abend steigert sich im Duett mit dem Pianisten: „La dame brune“ hatte Barbara seinerzeit mit Georges Moustaki live gemeinsam gesungen. Und er endet mit „La ligne droite“, in dem zwei Liebende noch nicht zusammen kommen können, weil die Liebe keine gerade Straße ist.

Zusammen gefunden haben an jenem Abend indes ganz sicher die beiden Künstler und ihr Publikum: In der „Hommage à Barbara“ bewegte sich die Musik zwischen ihnen auf einer sehr direkten Linie. Zum Abschluss erklingt viel Applaus und eine Zugabe in der inzwischen winterlich warmen St. Pauli Kirche.

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