Highlight / Kritik / Schauspiel

Kristina und Descartes / Darwin’s Slipslop

Salon Theater Eppendorf
Kristina und Descartes

Evolutionstheoretiker mit Backenbart: Charles Darwin (Thomas Lindhout) und seine Frau Emma (Larissa Keat)

Text: Christian Hanke | Foto: Frank Nikisch

Hier lässt sich’s aushalten. Im neuen Salon Theater Eppendorf empfängt die Gäste schon im Foyer eine anheimelnde, gemütliche Atmosphäre. Wie in einem Wohnzimmer aus früheren Jahrhunderten sorgen Möbel, Teppiche, Bilder und viel Kleinkunst für Behaglichkeit. Alles ist vollgestellt. Und an der Theke gibt’s Getränke. Nicht anders der Theaterraum. Beide Räume zusammen mehr eine altertümliche, über Jahre gewachsene Wohnung denn Bühne und Foyer. Hier, in den Räumen, die einmal das Kabarett Mon Marthe beherbergten, wohnt und lebt  Fotograf Frank Nikisch, der sein Domizil dem promovierten Philosophen Josh Goldberg – einst Art Director einer weltweit operierenden Werbeagentur und Verfasser von über hundert Drehbüchern für Kino und Fernsehen, nun Produzent und Regisseur – für einige Theaterabende zur Verfügung stellt.

Ein großes Bett dominiert das Zimmer, in dem Theater gespielt wird. Hier stehen auch ein Klavier, ein Schreibtisch und viele unterschiedliche Stühle und Sofas, im ganzen Raum verteilt, auf denen die Gäste Platz nehmen dürfen. Wie für ein großes Fest bereitet.

Im Bett räkeln sich derzeit abwechselnd Kristina und Descartes oder das Ehepaar Darwin. Immer wieder von wilder Leidenschaft gepackt, minutenlang unter der Bettdecke. Donnerstags disputieren, fechten und lieben sich hier anno 1650 die schwedische Königin Kristina und ihr Hofphilosoph, der Franzose René Descartes, Begründer des Rationalismus („Cogito ergo sum: Ich denke, also bin ich“). In wilden Nächten soll Descartes seiner Herrin und womöglich Geliebten seine philosophischen Gedanken vorgetragen haben. Die Schwedin war, so die Chronik, eine interessierte Zuhörerin und Fragestellerin. Goldberg hat „Kristina und Descartes“ 2015 als erstes Stück eines Theater-Fünfteilers über bahnbrechende Erkenntnistheorien inszeniert und nun in seinem neuen Theater wieder aufgenommen. Auf eine einzige Nacht auf Schloss Gripsholm hat Goldberg die Entstehung des Rationalismus verkürzt.

Teil zwei hatte kürzlich in Eppendorf Premiere: „Darwin’s Slipslop“. 200 Jahre nach „Kristina und Descartes“ kabbeln sich Charles und Emma Darwin in ihrem Heim um Denkgebäude, Karriere und Träume, in denen Emma ihrem Gatten erst als Menschenaffe und später in der Gestalt einer komplett in Silber gewandeten Dame aus der Zukunft erscheint. In diesem Spannungsfeld entwickelt der Hausherr, mitunter im heftigen Streit mit seiner Frau, den Empirismus. In seiner Vision Darwinismus, eine Bezeichnung, die er erst ziemlich blöd findet. Zu sehen immer freitags. Larissa Keat und Thomas Lindhout spielen beide Paare, überzeugen als Königin und bürgerliche Gattin beziehungsweise fechtender Heißsporn-Philosoph und etwas biederer Naturwissenschaftler.

Philosophie und Theater: Dafür hat Goldberg in seinen Texten und Inszenierungen eine prickelnde, verblüffend einfache Mischung gefunden. Unterhaltsam durch das Liebesleben und die Auseinandersetzungen der Herren Wissenschaftler mit ihren Herzensdamen.

So wird es auch in den nächsten zwei Teilen bleiben: „Wir lügen immer“ über John F. Kennedy und die ostdeutsche KGB-Agentin Ellen Rometsch zum Idealismus  (Premiere im September) und „Angebetete Nofretete“ zur Erfindung des Monotheismus. Das Bett bleibt in der Mitte.

Salon Theater Eppendorf, Tarpenbekstraße 65, Tel. 490 57 97, 27 80 50 49 oder 0171 21 70 455 sowie info@fotostudio-nikisch-hamburg.de

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