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Orlando furioso

Opernloft
Orlando furioso

Ein unwiderstehlicher Cocktail aus Barock und Pop: Vivaldis „Orlando furioso“ im Opernloft

Text: Hans-Peter Kurr | Foto: Susann Oberacker

Das Disco-Fest zu Hamburg – mit Musik von Antonio Vivaldi. Ist das nicht, wie man vor etwa 300 Jahren, also zum Entstehungsdatum der Oper „Orlando furioso“ formuliert hätte, ein Widerspruch in sich?

Nein, Inken Rahardt, die Direktorin und Regisseurin dieser neuesten hamburgischen Opernloft-Inszenierung, beweist schlüssig: Ist es – heutzutage – nicht! Worum geht es – und das nicht erst seit 300 Jahren, sondern seit Beginn der Menschheitsgeschichte? Um das Problem, einen Lebenspartner zu finden, den man dauerhaft lieben und daher den Anspruch erheben darf, geliebt zu werden, in Vivaldis barocker Oper festgemacht am Beispiel des „rasenden Orlando“ auf Freiersfüßen.

Zwar dreht sich diese Handlung (länger als 90 Minuten) im Kreis, und gerade in unserer Zeit der stark vervollkommneten Massenelektronik würde das allzumal – trotz des hohen Qualitätsgrades der hinreißenden Komposition des großen Italieners – zu langweilen beginnen, hätte Rahardt nicht, ver-rückt wie sie ist (will hier als Kompliment heißen: aus der Norm gerückt!), die an sich magere Handlung in ein aktuelles Disco- und Clubmilieu verlegt, was ihr dank der einmaligen Finanzspritze der Kulturbehörde für die teure und aufwendige Technik auch herrlich gelingt.

Neben der Regisseurin ist bei dieser Produktion ihr musikalischer Leiter, der vielseitige Markus Bruker, die wichtigste Figur: Wie er Rock, Pop, Barock geschickt – wie man in der Maskenbildnerei sagt – „verschneckelt“, ist hinreißend. Die Formkurve seiner Arbeit wird in den ariosen Einlagen der Sänger abgebildet und modifiziert deren strophische Ordnung. Darüber hinaus treibt er mit seinen Sängern das ewig alte und doch stets neue Liebes-  und Leidmotiv temperamentvoll zum empathischen Höhepunkt. Und das mit einem wirklich herausragenden jungen Countertenor als Orlando (Jud Perry) sowie drei stimmkultivierten Sängerinnen (Gabriele Vasilauskeite: Alcina, Eva Maria Summerer: Bradamante, und die besonders ausdrucksstarke Yulia Averina als zart-leidende Angelica) sowie dem starken Bariton Konstantin Anikin als sich wandelnder Macho Ruggiero.

Die Musik barocker Komponisten strebt in der Regel über impressionistische Oberflächenkultur hinaus und sucht nach eigenen Farbklängen im geistigen Ausdruck. Dass Inken Rahardt das – selbstverständlich – nicht nur weiß, sondern auch einen Weg gefunden hat, dieses Bestreben inszenatorisch im Jahr 2014 auf ihrer Bühne umzusetzen, ist wirklich markant.

Nächste Aufführung: 9.8., 20 Uhr, Opernloft

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