Kritik / Schauspiel

Weißer Raum

Ernst Deutsch Theater
Weißer Raum

Können sich im braunen Sumpf des weißen Raums nicht riechen: Vater (Frank Jordan) und Sohn (Rune Jürgensen)

Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Oliver Fantitsch

„Sie gehen halt leicht kaputt, die Asylanten …“ Zynisch kommentiert Patrick, warum er im Knast sitzt: Er hat einen Araber attackiert und wurde verurteilt. Sein Vater Uli hingegen, der einen Afrikaner erschlug, um eine Frau vor dessen Zudringlichkeiten zu schützen, wird als Held gefeiert. Patrick versteht die Welt nicht mehr …

Und Uli ergeht es nicht besser: Ausgerechnet jene Frau, die er (vermutlich) vor einer Vergewaltigung rettete, unterstellt ihm eine Neigung zu Gewalt. Als Journalistin hat sie in der Provinz keinen leichten Stand und scheint dankbar für eine Story, die sich zur Serie ausschlachten ließe.

Die geschickt gebaute Grundkonstellation birgt schon reichlich Konfliktpotenzial auf familiärer und beruflicher Ebene. Doch Autor Lars Werner hält weitere unliebsame Überraschungen für seine Protagonisten bereit: Uli verliert seine Arbeit, weil er einen vergleichbaren aggressiven Ausrutscher in seiner Vergangenheit verschwieg, und übernimmt stattdessen eine Führungsfunktion in der rechten Bewegung, in der zuvor sein Sohn den Ton angab. Dieser bedroht kurz nach seiner Entlassung die Journalistin, um sie davon zu überzeugen, nicht weiter gegen ihn und seinesgleichen schreibend Stimmung zu machen.

Im weiteren Verlauf verstricken sich Verwandte, Freunde und Kollegen, eine Pfarrerin sowie eine Bewährungshelferin in den Sumpf aus Eigennutz und rechtspopulistischer Gesinnung. Geradezu genial verwebt Lars Werner die unterschiedlichen Lebenswege miteinander und legt den Figuren erschreckend glaubwürdige Dialoge in den Mund. Durch die sensible und sinnliche Inszenierung von Hartmut Uhlemann entsteht ein ebenso großartiges wie aufwühlendes Stück Theater.

Zu den emulgierend wirkenden Klängen von Leo Lazar gelingt ein echter Ensemble-Abend, an dem es keine wirklichen Hauptrollen gibt und der gerade deshalb eine enorme Kraft entwickelt. Die acht Darsteller überzeugen als Team, wie es auf einer Bühne selten zu erleben ist. Und sie bewegen sich souverän in dem beeindruckenden, immer wieder zu erklimmenden Bühnenbild von Eva Humburg: Eine hartweiße, schräge Ebene, die den Raum dominiert und auf der man im hinteren Bereich nur abrutschen kann; sie eignet sich bestens als Projektionsfläche – für Schwarz-Rot-Goldenes, aber auch für einen wunderbaren Satz: „Kann man nicht für jeden Flüchtling, der kommt, einen Nazi abgeben?“

Aufführungen bis 9.11., diverse Zeiten, Ernst Deutsch Theater, Karten 25 bis 42 Euro, Tel. 22 70 14 20

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