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Zum Tode von Walter Jens

Walter Jens

Walter Jens in der Berliner Akademie der Künste (2005)

Foto: Etan Tal (Lizenzhinweis)

Er war mein letzter noch lebender Lehrmeister, bis er vor vier Tagen neunzigjährig auf die andere Lebensebene hinüberwechselte, endlich erlöst von dem schweren Leiden, das ihn – ausgerechnet ihn, den wohl glänzendsten Denker seit Lessing in der deutschsprachigen Theater- und Literaturwelt – vor Jahren bereits seiner rhetorischen und intellektuellen Brillanz beraubte: der Demenz.

Wer das Glück hatte, wie der Chronist, Jens in seinen verschiedenen Funktionen zu erleben – als Rhetoriklehrer, Hochschulprofessor (er gründete und besetzte den ersten Lehrstuhl für allgemeine Rhetorik an der Uni Tübingen), Bühnenautor, Übersetzer altgriechischer Stücke, als Präsidenten des PEN-Zentrums der BRD, als einen der letzten Hommes de lettres seiner Generation, als Romancier, Hörspielautor, als Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, als Produktionsdramaturgen bei Inszenierungen seiner Stücke wie „Der Untergang“ am Deutschen Theater in Göttingen oder des Sophokleischen „Oedipus Rex“ mit eigens geschriebener Rahmenhandlung vor dem Nouveau Palais Friedrichs des Großen in Potsdam, ja als Fußballfan, als protestierenden Atomkraftgegner oder auch als Erholungssuchenden auf der Insel Sylt, stets mit seinen Schülern in tief reichende Gespräche während stundenlanger Sommerspaziergänge vertieft – wer als Mitglied der nächsten Generation das mehrfach im Jahr an seiner Seite miterleben und von ihm lernen durfte, mag sich als reicher beschenkt wissen denn durch jeden anderen Menschen!

Danke, Herr Professor.
Ihr ergebener und dankbarer Schüler Hans-Peter Kurr

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