Kritik / Tanz & Performance

Dschingis Khan

Kampnagel
Text: Dagmar Ellen Fischer

Bedroh­lich laut pfeift der Wind durch die mongo­li­sche Steppe und rüttelt am spär­li­chen Bühnen-Baum­wuchs. Und da kommen sie auch schon, die wilden Mongo­len: drei Menschen mit Down-Syndrom. Früher irre­füh­rend Mongo­lo­ide genannt, machen sie sich heute selbst­be­wusst und mit viel Humor über genau diesen Umstand lustig: In einer Fanta­sie-Spra­che erklärt Sabrina sich und ihre beiden Mitstrei­ter Oliver und Jonny zu Nach­fah­ren des berühm­ten Herr­schers Dschin­gis Khan, Namens­ge­ber der Perfor­mance. Dann pfle­gen sie – mal bitter­ernst, mal augen­zwin­kernd – frei erfun­dene volks­tüm­li­che Musik und Tänze, üben sich im tradi­tio­nel­len Bogen­schie­ßen und stel­len gego­rene Stuten­milch her, das Natio­nal­ge­tränk der Mongo­len. Da gerade keine Stute greif­bar ist, mischen sie Sekt mit Milch …

Doch dann wird’s unge­müt­lich – fürs Publi­kum: Die Drei entern die Zuschau­er­rei­hen, wedeln mit ihren schwar­zen Kunst­haar­pe­rü­cken vor den Gesich­tern der Sitzen­den, um dann mit reich­lich Kunst­ne­bel die Sicht auf die Bühne zu erschwe­ren. Folg­lich sah das Publi­kum jene Kunst­stoff-Toten­schä­del nicht immer ange­flo­gen kommen, die von einem Kata­pult auf der Bühne in die Menge geschleu­dert wurden, und war von den Atta­cken der unge­fähr­li­chen Geschosse entspre­chend über­rascht. Wer hat Angst vorm schwarz­haa­ri­gen Mann? Oder vor der Nähe zu Behin­der­ten? Die Gruppe Thea­ter Thikwa nimmt sich selbst auf (und in) den Arm. Nichts ist echt. Erst die Wind­ma­schine macht aus dem Bühnen­po­dest eine mongo­li­sche Steppe, und erst die Ableh­nung des Publi­kums die Behin­der­ten zu Außenseitern.

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