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Duell der Damen

"Maria Stuart auf der Großen Freiheit", Stadtteilschule im St. Pauli Theater
Maria Stuart auf der Großen Freiheit

Dicke Luft auf dem Kiez: Elisabeth I. und Maria Stuart rangeln um die Krone Englands.

Sie haben etwas gewagt: 21 Schüler der Stadtteilschule am Hafen spielen eine stark gekürzte Bearbeitung von Friedrich Schillers Königinnen-Drama. Und etwas gewonnen: Die zehn- bis vierzehnjährigen Jungen und Mädchen zeigten auf der Bühne des St. Pauli Theaters eine bemerkenswerte Präsenz und gutes Zusammenspiel. Ein von Regisseurin Dania Hohmann und Dramaturgin Anne Wieckhorst integrierter Chor brachte mit seinen Popsongs Dynamik in die einstündige Fassung und sorgte für die notwendige Auflockerung.

Verwirrend das Ränkespiel an Königin Elisabeths Hof. Welcher Lord ist ihr wirklich treu, wer spielt doppeltes Spiel und ist auf Maria Stuarts Seite? Welche der beiden Frauen ist im Recht? Die, die auf dem Thron sitzt oder die, die meint, den rechtmäßigen Anspruch zu besitzen? Den beiden Schülerinnen, die Maria und Elisabeth spielen, gelingt es größtenteils, die Verse mit dem passenden Gefühl zu sprechen. Auch jeder Lord hat seine eigene Note. Der Chor sorgte immer wieder für Lacher und animierte das Premierenpublikum zu Zwischenapplaus. Es war schön und anrührend zu sehen, wie es den jungen Ensemblemitgliedern gelang, den Figuren mit ihren Körpern Ausdruck zu verleihen!

Doch je weiter sich die Kids von Schiller entfernten, desto überzeugender waren sie. Am deutlichsten offenbarte sich dies beim Chor. So verwundert es nicht, dass der heimliche Höhepunkt der Aufführung ein Moment war, der (fast) nichts mit Schiller und den Rivalinnen zu tun hatte. Es war die außergewöhnliche, klare und warme Solistenstimme eines Chorsängers, die mit einer ganz eigenen Interpretation eines Uralt-Hits für Gänsehaut sorgte: „I’m just a soul who’s intentions are good. Oh Lord, please don’t let me be misunderstood.“

Obwohl die meisten textfest waren, konnte man dem gesprochenen Text und damit der Handlung sentenzweise nicht folgen. Deshalb bleibt es trotz der großen Leistung eine offene Frage, ob es unbedingt Schillers Verse sein müssen, mit denen sich Jugendliche beschäftigen. Denn Fragen wie beispielsweise „was Freiheit bedeutet“ als filmische Interviews mit den Schülern eingeblendet, ließen sich vielleicht auch theatralisch anders abhandeln. Insbesondere, wenn man bedenkt, wie fremd Schillers Sprache für sie sein muss, für diejenigen mit anderer Muttersprache umso mehr.

„Maria Stuart auf der Großen Freiheit“ ist eine Kooperation im Rahmen von TuSch (Theater und Schule). Eine weitere Aufführung findet statt am Samstag, 21. April, 15 Uhr. Karten unter 040 – 4711 0 666.

Text: Angela Dietz
Foto: Florian Driessen

2 Comments

  1. Ismael Bittaye (Mortimer) says:

    ‚… Deshalb bleibt es trotz der großen Leis­tung eine offene Frage, ob es unbedingt Schil­lers Verse sein müssen, mit denen sich Jugend­liche beschäftigen?…‘
    Ja, sollte es! Ich bin einer der Schauspieler (ich habe den ‚Mortimer‘ gespielt). Und wäre es besser, wenn wir auf der Bühne mit „digga“ und „ey du geile sau, ich will dich klar machen“ und so reden? Gerade das ist ja das Besondere daran, dass so viele Jugendliche und Kinder verschiedener Nationalitäten diese „Alt-deutsch-Sprache“ in dem Stück beherrschen.
    Ausserdem haben wir mit Regisseurin Dania Hohmann und Anne Wieckhorst darüber gesprochen, was wir genau da reden!

    • Angela Dietz says:

      Lieber Ismael Bittaye,

      vielen Dank für deinen Kommentar!

      Du hast mich allerdings missverstanden.

      Ich bin überzeugt, dass ihr wusstet, was ihr sprecht, weil ihr euch damit beschäftigt habt. Klar kann sich jeder mit Schiller beschäftigen, der es möchte. Und, ja, das ist das besondere, dass „sich so viele Jugendliche und Kinder verschiedener Nationalitäten mit“ dieser „Alt-Deutsch-Sprache“ beschäftigen. Aber es ist kein Muss, schon gar kein Muss, es auf die Bühne zu bringen.

      Zwischen „Digga“, „geile Sau“ und dergleichen und Schillers Sprache gibt es noch ein ziemlich großes Spektrum an möglichen Sprechweisen.
      Es ist einfach schade, wenn das Publikum über längere Strecken den Text nicht verstehen kann – egal ob Schiller oder nicht.

      Es ist eine „offene Frage…“, die wir also hier diskutieren.

      Besten Gruß, Angela Dietz

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