Tanz & Performance

Egon Madsen wird 70 …

… und lässt sich im Schauspielhaus gebührend feiern.
Egon Madsen
Text: Hans-Peter Kurr

Es begab sich im Marmorfoyer des Deutschen Schauspielhauses zu Hamburg, dass der Henschel-Verlag ein neues Buch vorstellte: „Egon Madsen – Ein Tanzleben“, geschrieben von einer (ehemaligen) Tänzerin, der Kulturjournalistin Dagmar Ellen Fischer. Eine Biographie des großen Tänzers aus John Crankos legendärem Ballettensemble („Stuttgarter Ballettwunder“), der – noch immer aktiv – launig die Fragen der moderierenden Autorin an diesem Vorstellungsabend beantwortete.

Bedeutend wichtiger als die weitere Schilderung dieser nicht besonders ungewöhnlichen Veranstaltung erscheint mir die Würdigung dieser wertvollen Neuerscheinung, der ich ebenso innig wie intensiv eine große Leserschaft wünsche.

Wie Sie bemerken, verehrter Bücherfreund, nutzt der Rezensent die im Journalismus in der Regel unübliche Ich-Form, um seiner Begeisterung und Freude über das Werk der „schreibenden Tänzerin“ und Kollegin Dagmar Ellen Fischer Ausdruck zu verleihen, die mit dieser im Henschel-Verlag erschienenen Biographie eine lange, zu lange klaffende literarische Lücke geschlossen hat. Grund für diese Würdigung in der Ich-Form aber ist ein anderer:

Der Rezensent arbeitete während der Generalintendanz Walter Erich Schäfers am Württembergischen Staatstheater, unter der John Cranko das Stuttgarter Ballett, dem auch der Däne Egon Madsen angehörte, zu Weltruhm brachte, als Feuilletonredakteur in Stuttgart. Er hatte sich während der Zeit, als das berühmte Stuttgarter Gastspiel in der New Yorker Metropolitan Opera Furore machte, im Big Apple als Filmproduktions-Berichterstatter für die Paramount verpflichten lassen und war einer der engsten Mitarbeiter des Frankfurter Generalintendant Harry Buckwitz, dessen eng mit der Mainmetropole verbundene Biographie er im Auftrag der Berliner Akademie der Künste schrieb, als Madsen Ballettdirektor im neuen Frankfurter Opernhaus wurde.

Eine zufällige Koinzidenz, die hier erwähnt wird, weil sie meine Hochachtung vor Fischers Madsen-Biografie zusätzlich begründet. Es ist hier nicht der Ort, den biografischen Inhalt des Buches nachzuzeichnen, das nicht nur durch tolle Erinnerungsfotos zusätzlich dokumentarischen Charakter erfährt, sondern von einer Meisterin des Wortes nahezu romanhaft erzählt wird.

Romanhaft und vor allem geschmackvoll, wenn ich zum Beispiel an den 1973 als Sensation durch die Gazetten rasenden Bericht über John Crankos Tod an Bord der Pan-Am-Boeing denke, die das Team von New York zurückflog und, um den schwer erkrankten Ballettdirektor zu retten, eine Zwischenlandung in Dublin einlegte, wo Cranko dann allerdings verstarb. In der bunten Welt der Darstellenden Kunst hat es nach meiner Kenntnis einen ähnlichen Fall nur noch einmal gegeben, zwanzig Jahre später, als einer meiner Freunde, der deutsche Schauspieler Günter Strack, ebenfalls an Bord einer Düsenmaschine über dem Atlantik verstarb.

Crankos Protagonisten, die nach New York alle sehr bald zu Weltstars wurden, trauerten an diesem 26. Juni 1973 um ihren Meister. Ihre Namen sind noch heute im Gedächtnis derjenigen Menschen, die Ballett berechtigterweise für eine bedeutende Kunstform halten:

Marcia Haydée, Birgit Keil, Susanne Hanke, Richard Cragun (der vor wenigen Tagen in Rio de Janeiro im Alter von 67 Jahren starb) und ebenso Egon Madsen, der noch immer aus seinem italienischen Olivengarten zu Gastspielen reist und wahrscheinlich zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser bewundernden Rezension irgendwo bei Gauthier oder in Bielefeld auf der Bühne stand.

Zurück zum Buch: Ich würde es gern – in Anlehnung an den Poeten Ernst Penzoldt – ein „Biodram“ nennen, denn: Dagmar Ellen Fischer, selber eine begabte Tänzerin, findet offenbar Madsens Biografie, um die der große Tänzer – wie wir im Vorwort erfahren – selber gebeten hat, leise, schön und gemüthaft fundiert, aber sie erzählt auch von der nicht nur körperlich höchst anstrengenden Erarbeitung jener berühmten Rollen, die Madsen tanzte, bis er endlich in die hohen Regionen des Gremio („Der Widerspenstigen Zähmung“) oder des Onegin aufgestiegen war

Bis hin zur Applausordnung am Ende eines der bedeutenden Ballettabende in New York, derer zwei ich miterleben durfte, bewunderten und schätzten ihn die Zuschauer. Er verbeugte sich aber auch auf höchst persönliche, originelle Weise mit seinem stets staunenden Biedermeierkopf, den er noch heute, allerdings weiß geworden, trägt, der klassischen Nase und den heiter unter der Schminke verrunzelten Augen.

Und liebevoll arbeitet Fischer heraus: Madsen hatte die Überlegenheit der Güte. Die getanzten Bilder der Weisheit, die er seinen Figuren aufgab (ich habe Hamlet in selten intensiver Erinnerung!), brachte er stets warm und mit kluger Skepsis zur Evidenz.

Fazit: Chapeau vor dem noch immer unverwechselbar arbeitenden Egon Madsen. Und Gratulation einer Autorin, die mit dem literarischen Erfassen von dessen Biographie einen künstlerischen Sieg errungen hat.

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