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Frei ist, wer frei ist

„Zweimal lebenslänglich“, Altonaer Theater
Zweimal lebenslänglich

Appetit auf Buch-Theater? Altonaer Theater spielt Steven Kings „Pin-up“

Elf Männer. Im Leben je ein Schicksal, auf der Bühne immer ein paar zu viel. Aus Steven Kings Romanvorlage „Pin-up“ (Bühnenfassung von Owen O’Neill und Dave Johns, deutsch „Zweimal lebenslänglich“) wird in der Inszenierung von Axel Schneider im Altonaer Theater immer nur dann Theater, wenn sich mindestens neun der elf Protagonisten gerade backstage befinden. Erst in der intimen Konfrontation der Charaktere wird nachvollziehbar, worum es in diesem Stück gehen könnte: um das eigene Leben, um Autonomie, Würde und Freiheit – und den Kampf darum.

Die Geschichte ist ziemlich einfach. Es geht um den wegen Mordes an seiner Frau und einem Golflehrer verurteilten Banker Andi, der zwanzig Jahre lang eingesperrt bleibt und bis zuletzt seine Unschuld beteuert. Regisseur Axel Schneider kann nichts für die schlichte King’sche Synopsis, erzählt über weite Strecken mit großem Personaleinatz an der Geschichte entlang, findet dabei aber selten Momente, in denen er in der Reduktion seinen Mitteln vertraut. Dann endlich entstehen Bilder.

Andi, der Banker (Tommaso Cacciapuoti mit Clint-Eastwood-Attitüde) polarisiert. Er will nicht nachgeben, nicht der mittäterlichen Gewalt im Knasthof noch der Unterdrückung von oben. Er will raus. Allein das unterscheidet ihn von den anderen. Nicht alle wollen raus. Der Bibliothekar Brooksie (Hans-Jörg Frey) arbeitet gegen seine Bewährung. Red (Konstantin Graudus), der in Shawshank der „Beschaffer“ ist, meint einen wie Andi aufklären zu müssen – letzten Endes seien sie alle im Gefängnis, weil sie hierher gehörten. Dass das so nicht stimmen kann, wird deutlich, wenn Red Andi über seine eigene Person mit dem Satz: „Ich bin ein Mörder!“ aufzuklären versucht.Wieviel Anpassung ist nötig ist, damit einer in solchen Begriffen von sich selbst spricht!

Andi verbreitet Hoffnung, weil er an eine Wahrheit glaubt. Dass aber ausgerechnet etwas so rückwärts gewandtes wie Hoffnung in der Lage ist, die Machtstrukturen im Männergefängnis Shawshank zu bedrohen, ist im Leben wenig glaubwürdig und auf der Bühne allein der Angst eines zum Sadismus neigenden Gefängnisdirektors geschuldet.

Das Ensemble trägt seinen Hauptdarsteller schließlich bis zum lang anhaltenden Premierenapplaus. Klar ist am Ende: Solange einer noch Hoffnung hat, ist er gefangen. Frei ist er erst, wenn er frei ist.

Text: Stephanie Schiller
Foto: Altonaer Theater

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