Drehbühne / Highlight

Karin Beier

Porträt
Karin Beier

Karin Beier über­nimmt mit der Spiel­zeit 2013/2014 die Inten­danz des Deut­schen Schauspielhauses

Text: Hans-Peter Kurr

Da wird sich so mancher Pfef­fer­sack und einige Hambur­ger Kultur­jour­na­lis­ten in Zukunft verwun­dert fragen: „Wen haben wir denn da einge­kauft?“ Karin Beier, die erste Frau auf dem Inten­dan­ten­stuhl des Deut­schen Schau­spiel­hau­ses – nach Peter Zadek und Michael Bogd­a­nov endlich wieder eine Regie­in­ten­danz – schön, ener­gisch, leiden­schaft­lich, vulka­nisch. Blick zurück: Bogd­a­nov, der nach unend­li­chen Ausein­an­der­set­zun­gen mit den Kultur­ver­ant­wort­li­chen der Hanse­stadt das Hand­tuch warf; Strom­berg, der schon wütend wurde, wenn ihn jemand an seine Kinder­tage und damit an seinen Vater erin­nerte, der nur Inten­dant in Wilhelms­ha­ven war; Baum­bauer, der von der damals berühm­tes­ten Schau­spiel­agen­tin West­deutsch­lands, seiner Mutter, auf die beruf­li­che Schiene gesetzt und so lange gefüt­tert wurde, bis er am größ­ten deut­schen Schau­spiel­haus im Inten­dan­ten­büro gelan­det war; Schir­mer, leicht verletz­bar, der meinte, zum Helden zu werden, als er aufgrund stei­gen­der wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten und der Wort­brü­che seiner städ­ti­schen Vertrags­part­ner, sich und seine Karriere opferte. Nun: Eine kämp­fe­ri­sche Löwin, mit der im Fall zukünf­ti­ger Diver­gen­zen die Regie­ren­den der Hanse­stadt kein leich­tes Spiel haben werden.

Ihre erste Pres­se­kon­fe­renz an der Elbe gab sie am 19. April, trotz unleug­ba­rer künst­le­ri­scher Erfolge, aber ebenso zahl­rei­cher poli­ti­scher Ausein­an­der­set­zun­gen in Köln, offen­sicht­lich froh, im Norden ange­kom­men zu sein. Wer sieht, wie ihre Fäuste nach vorn schie­ßen, wenn sie das Wort „zupa­cken“ als ihr Stil­mit­tel apostro­phiert, wie ihre Hand während einer Atem­pause durch die Löwin­nen­mähne fährt, wie sie, bei wesent­li­chen Programm­punk­ten gleich­zei­tig aus zwei Gläsern und einer Riesen­fla­sche Wasser trinkt, wie sie hurtig-einfalls­reich, weil das Spiel­zeit­heft noch nicht gedruckt ist, die Farb­fo­tos ihrer Ensem­ble­mit­glie­der an eine Wäsche­leine hängt, wie sie die Mitglie­der ihrer perso­nen­rei­chen Drama­tur­gie zu Beiträ­gen aufruft, an der Spitze ihre (bereits in Köln an ihrer Seite arbei­tende) Chef­dra­ma­tur­gin und Stell­ver­tre­te­rin, die eben­falls löwen­mäh­nige Rita Thiele, bis zu dem erfreu­li­cher­weise in das Leitungs­team zurück­be­ru­fe­nen Michael Propfe, der nach Schir­mers plötz­li­chem Abschied daraus verschwun­den war. Wer dies alles während der Pres­se­kon­fe­renz beob­ach­ten und die hoch­bri­sante Span­nung spüren konnte, die diese Frau selbst inner­halb der vier toten Beton­wände des Maler­saa­les initi­ie­ren kann, der wundert sich nicht, dass sie als Eröff­nungs­in­sze­nie­rung für Mitte Novem­ber einen neun­stün­di­gen Bühnen­ma­ra­thon ankün­digt, den auf die Bühne zu brin­gen ja nicht nur die Darstel­ler erheb­lich fordert, sondern auch sie als deren Regisseurin.

Der Eröff­nungs­abend trägt den Titel „Die Rasen­den“. In einer Nacht werden „Iphi­ge­nie“, „Die Troerin­nen“ und die „Ores­tie“ (Aischy­los, Euri­pi­des und Hofmanns­thal) zu erle­ben sein. Beier hat weitere span­nende Pläne: Dosto­jew­skijs „Schuld und Sühne“ (Insze­nie­rung: Karin Henkel) erscheint ebenso wie Jean Genets „Die Neger“ (Insze­nie­rung: Johan Simons), die Urauf­füh­rung „Ballade vom Flie­gen­den Holländer“(Inszenierung: Sebas­tian Baum­gar­ten), ein großer Klas­si­ker wie Shake­speares „Sturm (Insze­nie­rung: Maja Klec­zew­ska) steht neben der Jeli­nek-Urauf­füh­rung „Strah­lende Verfol­ger“ in der Insze­nie­rung der neuen Hausherrin.

Perso­na­lie: Im äußerst span­nen­den Reigen der Namen derje­ni­gen, die an Karin Beiers Seite als Menschen­dar­stel­ler daran mitwir­ken sollen, das Haus an der Kirchen­al­lee wieder zu Deutsch­lands Nr. 1 werden zu lassen, finden sich fünf, die Hamburg erhal­ten blei­ben: Ute Hannig, Markus John, Michael Prelle, Martin Pawlow­sky und Samuel Weiss.

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