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Kindertheatertreffen 2015 – Ein Rückblick

Fundus Theater
Kindertheatertreffen 2015

Christopher Weymann gestaltete die Tafelbilder für das Kindertheatertreffen

Text & Fotos: Tilla Lingenberg

Vom 20. bis 26. Mai fand das Hamburger Kindertheatertreffen zum zweiten Mal statt und hatte mit einer unglaublichen 86%-Auslastung eine noch bessere Bilanz als im Jahr zuvor. Schon am Eröffnungsabend klebten große „Ausverkauft“-Zettel im Schaukasten des Fundus Theaters über mehr als der Hälfte aller Vorstellungen. Das zeigt vielleicht auch, dass die Entscheidung, sich vom Verein „KinderKinder“ im Herbst zu lösen und selbstständig zu werden, richtig war.

Katrin Lowitz vom Verband Kitsz e. V. (Freie Hamburger Kinder­thea­ter­szene) und Gabriele Parnow-Kloth von Ahap e. V. (Arbeits­kreis Hamburger Puppen- und Figu­ren­theater) organisierten als Leitungsteam mit den Mitgliedern ihrer Verbände eine pralle Woche mit sieben Schauspiel-Produktionen und fünf Puppentheater-Aufführungen. Damit war das Kindertheatertreffen 2015 um eine Aufführung umfangreicher als im Vorjahr.

Viele der Theatermacher kamen zu dieser Produktionsschau der jeweils neusten Stücke des vergangenen Jahres, um sich gegenseitig zuzusehen – vor allem in der Kernzeit, dem Wochenende mit sieben der insgesamt elf Produktionen. In der freundlichen Atmosphäre des Fundus Theaters sprachen die Künstler gemeinsam nach den Aufführungen über die Produktionen. Dieser Austausch ist ein Grundgedanke des Treffens.

Fünf Gruppen spielten Bilderbücher nach: „Alberta geht die Liebe suchen“ von Isabell Abedi, „Gute Nacht Gorilla“ nach Peggy Rathmann und Sven Nordquists „Die verrückte Hutjagd“ sowie dem als Live-Hörspiel-Solo präsentierten Klassiker „Das Gespenst von Canterville“ von Oskar Wilde. „Dr. Brumm kommt in Fahrt“ von kirschkern & COMPES ist zwar ein Theaterstück, aber auch dieses ist nach den Bilderbüchern von Daniel Napp entstanden. Sieben Theatergruppen entwickelten eigene Geschichten.

Der Trend zum Bilderbuch-Nachspielen soll Eltern und Erzieher in die Vorstellungen locken. Der Wiedererkennungseffekt als Verkaufshilfe. Eine Strategie, die seit Jahren gut funktioniert. Deshalb gab es auch in diesem Jahr wieder für die Altersgruppe der Drei- bis Vierjährigen (die Bilderbuch-Zielgruppe) mit sieben Produktionen das größte Angebot.

Obwohl die Theatergruppen mit der differenzierten Altersangabe von 3+, 3,5+ und 4+ eine sehr genaue Entscheidungshilfe geben, ignorieren Eltern und Erzieher diese Bemühungen zu oft und eine Vorstellung mit jüngeren Zuschauern kann für alle Beteiligten sehr mühsam sein.

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Andererseits gab es gerade in diesem Jahr auch mehr als eine fehlleitende Altersangabe von Seiten der Theatergruppen. Mit der Altersangabe 3+ für „Gute Nacht Gorilla“ vom Theater Mär lagen die Macher insofern nicht richtig, da die vielen Rollenwechsel der zwei Darsteller eben jene Dreijährige überforderte und manche Tierdarstellungen die Kinder auch ängstigte. Und das bei einer Gute-Nacht-Geschichte.

Theater Triebwerk meinte, 6+ wäre für „Die verrückte Hutjagd“ angemessen, doch die assoziative Erzählweise mit langen, reinen Musikpassagen (Cello und Kontrabass) war nichts für Zuschauer dieses Alters. Die Geschichte zerbröselte durch die Erzählweise und obwohl die Kinder immer wieder neu bereit waren, der Geschichte zu folgen, glich die Aufmerksamkeit einer stark schwankenden Amplitude. Bei dieser Inszenierung drängt sich der Vergleich mit jenen Bilderbüchern auf, die in ihrer wunderbaren künstlerischen Gestaltung eher für Erwachsene als für Kinder geeignet sind. Äußerst selten hört man – wie hier – ein Kind nach der Vorstellung sagen: „Mir hat gar nichts gefallen.“ Wobei zumindest Oma Hannes wilde Motorradfahrt, begleitet von „Born to be Wild“ auf dem Kontrabass, gespielt von Heino Sellhorn, noch gefiel: „Da fand ich auch die Musik richtig gut“, meinte das Mädchen versöhnlich.

„Immer weiter“ vom Theater Strom wurde für 8+ angeboten, aber selbst ein geübtes Theaterzuschauerkind mit elf Jahren konnte die Geschichte in ihrer Komplexität nicht erfassen. Dass eine Schauspielerin (Gesche Groth) von einer Frau erzählt, die zwei Namen hat, aber nur eine Person ist, erschloss sich diesem Mädchen nicht.

Erwachsene Zuschauer waren ergriffen vom Schicksal der obdachlosen Maria/Rita, aber so fragmentarisch, auf mehreren Ebenen und in Zeitsprüngen erzählt, funktionierte das Stück für Kinder ab acht Jahren nicht. Und das lag nicht am Thema Obdachlosigkeit.

Wunderbar funktionierte „Dr. Brumm kommt in Fahrt“ von kirschkern & COMPES. Eine lustige, einfache Geschichte zu dem komplizierten Gefühl Eifersucht. Das war eine runde Sache oder: „Tollerwetter“, wie der Bär Dr. Brumm immer wieder beeindruckt ausrief.

Die Kinder gingen freudig mit „Alberta die Liebe suchen“ und durchlebten die detailreich und schön gestalteten Jahreszeiten einer Freundschaft mit „Frieda und Frosch“. Beides Produktionen des Tandera Theaters, die mit tollen Bühnenbauten bezauberten und mit liebevoll gestalteten Tierpuppen klare Geschichten erzählten.

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Bei einigen Produktionen wünschte man sich eine strukturiertere Geschichte. So bei den seltsamen „Drei vom Planet Marmel“ des Theaters Brekkekex. Hier wussten die Schüler nicht wirklich, warum sie aufgefordert wurden, mitzuspielen und sich in Zweierreihen aufzustellen. Vermutlich war die Aufforderung gar nicht wörtlich gemeint, aber die Kinder folgten ihr und nun kam die ganze Dramaturgie durcheinander. Nach einiger Zeit forderten die Schauspieler die geduldig Wartenden auf, sich wieder hinzusetzten, um sogleich von der Bühne zu verschwinden und: Peng – die Geschichte war aus. Alle dachten, es sei Pause, und blieben sitzen. Zum Glück konnten die ratlosen Kinder hinterher noch mit den Schauspielern sprechen und so immerhin einige offene Fragen klären. Trotzdem blieb es ein Stück ohne richtigen Schluss.

Eine ähnlich unbefriedigende Dramaturgie erlebten die Zuschauer bei „Ferkel und Eule“ von Moving Puppets am letzten Tag. Licht aus, Stück aus. Dabei hätte man doch gerne mehr gesehen. Und ein schlüssiges Ende.

Wie bei „Reise in die Nacht“ vom Theater FunkenFlug. Hier stimmten Inhalt, Dramaturgie und Altersangabe. Die „kleine Frau“ nahm die Kinder mit, ging genau im richtigen Maß auf ihre Zurufe ein und schaffte es trotzdem, ihre Geschichte durchgängig zu erzählen. Eine Gratwanderung, die nicht allen Gruppen so gut gelang wie Katrin Lowitz mit diesem Stück.

Alle Gruppen, die in diesem Jahr nicht mit einer neuen Produktion beim Treffen vertreten waren, konnten sich an der Auslosung für den neuen Programmplatz „Lieblingsstück“ beteiligen. Gemeint war das jeweilige Lieblingsstück der Spieler, egal, wie lange es sich schon im Repertoire befindet. Das Los für „Reise in die Nacht“ – eine Art Klassiker des Theaters FunkenFlug – wurde hierfür am Eröffnungsabend feierlich aus einem großen Hut gezogen.

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Das diesjährige Hamburger Kindertheatertreffen kam einem vor wie der freudig erwartete zweite Roman nach einem furiosen Debüt: nicht schlecht, aber hinter den Erwartungen zurückbleibend und eben nicht so gut wie im Vorjahr.

Es bleibt abzuwarten, was das nächst Jahr bringen wird. Denn dank der zuverlässigen Unterstützung der Kulturbehörde der Stadt Hamburg, der Hamburgischen Kulturstiftung und natürlich dem Fundus Theater wird es auch nächstes Jahr wieder heißen: „Auf die Plätze …“

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