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Obstgärtchen

Theater Mär im Hamburger Sprechwerk
Obstgärtchen

Kirschen sammeln mit Würfel: Gärtner Thomas (Peter Markhoff) zählt auf die Hilfe des Publikums

Text: Angela Dietz / Foto: Daniel Wolcke

Freie Gruppen wie Theaterhäuser dramatisieren literarische Vorlagen, das ist eher die Regel als die Ausnahme. Mit seinem neuen Stück „Obstgärtchen“ probiert das Theater Mär zum ersten Mal aus, ein Kindern ab drei Jahren bekanntes Brettspiel auf die Bühne zu bringen. Der Witz an dieser Spiel-Dramatisierung von Regisseurin Frauke Rubarth ist, dass die Inszenierung immer anders verläuft, das Stück also nie auf die gleichen Weise endet. Wie funktioniert das und wie kommt es beim jüngsten Publikum an?

Ein bunter, von Peter Markhoff und Timo Gniesmer gebauter Garten, in ähnlicher Aufmachung wie beim Brettspiel mit Kirschbaum, Eimern, Harke, Schaufel, Gebüsch und Glockenblume, wartet auf die Kirschenernte. „Ich bin Thomas“, stellt sich der Mann mit grüner Latzhose und Strohhut vor. „Das ist mein Obstgärtchen, und ich bin der Gärtner.“

Ziel des Spiels ist es, die meisten Kirschen zu sammeln, beim Brettspiel wie bei der interaktiven Inszenierung. Gärtner und Publikum müssen sich, nachdem der Würfel gefallen ist und meist eine Farbe angezeigt wird, verständigen, welches grüne, rote oder blaue Gartengerät für die Ernte benutzt werden soll. Die Kinder lassen sich nicht lange bitten und rufen dem Schauspieler ihre Entscheidung zu. Manchmal ist der Gärtner allerdings gefordert, eine kurze Abstimmung durchzuführen, um die Mehrheit zu ermitteln.

Bevor Thomas würfelt, hat noch ein anderer, verschwindend kleiner Gesell seinen Auftritt. Es kitzelt in der Hosentasche – und Wurm Harry, zwischen den Fingern hervorlugend, gibt Order, vorm Würfeln das Spiel zu erklären. Der Gärtner beginnt, durch den Garten zu spazieren und die Geräte zu benennen. So ähnlich läuft es zwischendurch mehrmals, wenn der Gärtner dem Publikum vermitteln will, welche Dinge schon genutzt wurden.

Kleine Liedzeilen (Komposition: Anne Wiemann), die der Gärtner singt, leiten die einzelnen Spielzüge ein und sollen vermitteln, welche Gerätschaften schon benutzt wurden – letzteres erscheint den Kindern nicht so wichtig. Schade ist die fehlende Instrumentenbegleitung.

Die Kita-Kinder sind während der Aufführung im Sprechwerk insgesamt recht lebhaft, manchmal unruhig. Kein Wunder, sie erkennen hörbar vieles aus dem Brettspiel wieder. Thomas Nestler als Gärtner muss vor allem bei der gewünschten Auswahl der Gegenstände – blauer, gelber oder roter Eimer, grüne Gießkanne oder Schaufel – gelegentlich das Votum aus den Zurufen und hochschnellenden Arme „destillieren“.

Große Freude bei den Kindern wecken der Ritt auf dem Schaufel-Pferdchen und der mehrfache Aufritt von Rabe Theo, einer Handpuppe, der wie das Publikum gern Kirschen isst und deshalb pflückt und sammelt. Anders vielleicht als beim Spiel in der Kita, ist der Wunsch der Kinder zu gewinnen uneindeutig. Der Rabe gefällt, soll er doch viele Kirschen sammeln.

Beim Kita-Kinder-Publikum kommt das Obstgärtchen gut an. Eingedenk aktueller Dramatisierungsarten und Inszenierungsformen – etwa Performatives Theater – könnte man diese Form des Kindertheaters als eine weitere Inszenierungsmöglichkeit für die Jüngsten ansehen. Eine Geschichte wird allerdings nicht erzählt. Poetisches oder Imagination spielen hier keine oder eine sehr untergeordnete Rolle, die Spielkunst eines Schauspielers steht nicht im Vordergrund. Der pädagogische Aspekt hingegen, Farben und Gegenstände zu benennen, spielerisch Zählen und Spielregeln zu verstehen, ist von Bedeutung.

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