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Seichte Gewässer

„Klein Erna auf großer Hafenrundfahrt“, Engelsaal
Klein Erna auf großer Hafenrundfahrt

Von der Hosentasche in den Mund: Seemannsgarn

Klein Erna ist frech, pfiffig und plappert gern drauflos. Das Hamburger Original ging schon in den 1930er Jahren mit eigenen Witzen in Serie. Auch Bücher und Filme dokumentieren die Welt der Figur ohne Alter. Nun bekam sie ein Singspiel in den Mund gelegt: „Klein Erna auf großer Hafenrundfahrt“ kombiniert, was Hamburger lieben – ihren Hafen, maritimes Liedgut und Anekdoten um Klein Erna.

Käpt’n Kuddel (Ben Kropp) gibt auf seiner Barkasse „Seute Deern“ den Ton an, mal am Schifferklavier, mal am Steuerrad. Zu seinen Passagieren gehören neben Klein Erna (nicht vorlaut genug: Hanna Goossens) und ihrer Mutter auch die Frau Konsulin aus Blankenese (überzeugend: Ela Nitzsche in der Doppelrolle) sowie der wandlungsfähige Stefan Linker als sächselnder und berlinernder Tourist und Matrose Fiete. Regisseur Philip Lüsebrink inszeniert auf engstem Raum – dem Bühnenbild-Barkassen-Oberdeck zwischen Reling und Kajüte – beeindruckend fantasievoll. Doch Klein Erna ist einfach zu brav: Die großartige Respektlosigkeit und ihre Unbedarftheit in moralischen Fragen – wofür sie gerade in der prüden Nachkriegszeit so geschätzt wurde – kommen viel zu kurz.

Der „Hamburger Veermaster“ gerät leicht schief, und auch der „Drunken Sailor“ macht seinem Namen alle Ehre – Volkslieder vom Festland und Shantys gehen manchmal über Bord. Aber da die vier singenden Schauspieler bei annähernd jedem Lied stimmliche Unterstützung vom Publikum bekommen, klingt letzten Endes vieles wasserfest.

Karl-Heinz Wellerdiek, Hausherr im Engelsaal, stellte aus Ohrwürmern eine unterhaltsame Liedfolge zusammen. Die wird textlich unterbrochen von Klein-Erna-Witzen und Anekdoten, wie sie bei einer Hafenrundfahrt vom Kapitän „He Lücht“ zum Besten gegeben werden: Scherze über die räumliche Nähe von Museumshafen und Seniorenresidenz wechseln mit solchen über die fehlenden Gänse am Gänsemarkt – und der Entsprechung auf dem Jungfernstieg. Wirklich witzig dagegen werden die touristenfeindlichen Wiederholungen der Hamburg-Infos in den jeweils schlechtesten aller denkbaren englischen Übersetzungen. Sogar für Selbstironie ist Platz auf der Bühne: „Ich weiß, Sie haben schon bessere Witze gehört – aber nicht bei uns!“ Durch den zweistündigen Heimatabend zieht sich ein roter Liedfaden: die Hamburg-Hymne „Hammonia“. Windige Hafenrundfahrt mit Klein Erna.

Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Engelsaal

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