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Swan Lake Reloaded

Thalia Theater
Swan Lake Reloaded

Die Party als Partnervermittlungsmodell: Fredrik Wentzel als Narr steht Kopf

Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Mats Baecker

Junger Schwede, da wurde gleich mehrfach nachgeladen: Vom vielleicht bekanntesten Ballett der Welt blieb die Story erhalten, aber Charaktere, Musik und Setting mussten sich einige Frischzellenkuren gefallen lassen. Und das gefiel auch dem Publikum: Standing Ovations bei der Hamburger Premiere im Thalia Theater.

Der (im Original übrigens auch) dünne Handlungsfaden: Schnösel aus besserem Haus wird von Mutter zur Ehe gedrängt, und weil er selbst kaum aktiv wird, holt Mama gelegentlich attraktives Frischfleisch ins Haus, mit der Lizenz zum Heiraten. Er, von Beruf Sohn, winkt indes regelmäßig ab. Bis er sich völlig unstandesgemäß in ein weibliches Wesen verliebt: Bei der Uraufführung 1877 in Moskau in eben jenes titelgebende Schwanenmädchen am See – in dem tatsächlich eine von dunklen Mächten verzauberte Prinzessin steckt.

In des schwedischen Tänzers und Choreografen Fredrik Benke Rydmans Fassung „Swan Lake Reloaded“ mutiert die Auserwählte zur Hure, abhängig nicht mehr von Zauberhand, sondern vom brutalen Zuhälter und dessen Heroin-Lieferung. Doch auch in ihr versteckt sich ein zweites Ich …

Das vieraktige Ballett schrumpft auf 90 Minuten, die Mutter wird zur lüsternen Männerjägerin, ihr Sohn hängt gern mit Freunden ab. Als er sich mit ihnen ins Nachtleben des Rotlichtviertels stürzt, trifft er auf die strauchelnde Prostituierte. Bald wird das junge Glück vom Kiez bedroht.

Grelle Farben, witzige Ideen und eine Körpersprache, die sich zwischen Ballett, HipHop und Akrobatik bewegt. Auch Tschaikowsky musste Federn lassen: Sein Schwanen-Thema hat zwar mit gebrochenem Flügel überlebt, wird aber von allerlei zeitgenössischen Musikeinbrüchen aufgemischt. Sogar das Bühnenbild tanzt mit: Zwischen beweglichen Pfeilern und Mauern läuft eine abenteuerliche Verfolgungsjagd. Tolle Tänzer und eine beeindruckendes Team, doch der Star des Abends ist keiner der Protagonisten, sondern der Narr, den die Mutter zum allgemeinen Party- sowie zum sehr persönlichen Vergnügen engagiert: Fredrik Wentzel begeistert als Clown und Publikumsliebling.

Thalia Theater, bis 28.7. täglich außer Mo. 20 Uhr, Sa. auch 16 Uhr, So. nur 14 Uhr, Zusatzvorstellung 28.7. um 18 Uhr, Tickets ab 27,90 Euro unter Tel. 47 11 06 33

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