Schauspiel / Vorbericht

Jubiläumssaison am Ernst Deutsch Theater

Volker Lechtenbrink

Volker Lechtenbrink gibt den Vorhangzieher Sassmann in „Heute weder Hamlet“.

„Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt verstecken derzeit auf der Bühne des Ernst Deutsch Theaters mal wieder Abend für Abend ihre Genialität hinterm Wahnsinn. Damit ihre Erfindungen ja nicht in der Welt bekannt werden. Denn diese Physiker sind von den unheilvollen Folgen ihres Denkens in der ganz normalen Welt zutiefst überzeugt. Was passiert, wenn Physiker nicht ins Irrenhaus gehen, zeigten kürzlich die Reaktorkatastrophen in Japan. Volltreffer fürs Ernst Deutsch Theater! Dürrenmatts Klassiker wird genau zum richtigen Zeitpunkt gespielt. Ein schrecklich glücklicher Zufall.

Politische Stücke mit aktuellen Bezügen gehören seit seiner Gründung vor 60 Jahren zum Kernprogramm des Ernst Deutsch Theaters. Das runde Jubiläum wird am 13. Oktober mit einer Gala-Veranstaltung gefeiert. Die ganze Spielzeit steht unter dem Motto „Jubiläum“. Das mit 744 Plätzen größte private Sprechtheater in Deutschland zeigt Erfolgsstücke aus seiner Geschichte, wie „Heute weder Hamlet“ von Rainer Lewandowski – wie vor 20 Jahren mit Volker Lechtenbrink in der einzigen Rolle des Vorhangziehers Sassmann (29.9.-6.11.) – und „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn (24.11.-7.1.2012), bleibt aber seiner Linie der letzten Jahre treu, auch neue aktuelle Stücke zu spielen.

So wird David Hares „Gethsemane“ am 12. Januar 2012 seine deutschsprachige Erstaufführung an der Mundsburg erleben, ein Stück über die „Nahtstelle zwischen Privatem und Politischem“, so Intendantin Isabella Vértes-Schütter. Die 16-jährige Tochter einer hochrangigen Politikerin, der wegen Drogenkonsums die Schulentlassung droht, wehrt sich gegen eine privilegierte Behandlung, als eine Spende an die Schule das Malheur aus der Welt schaffen soll.

In der folgenden Komödie „Blütenträume“ (8.3.-13.4.) mit Gila von Weitershausen in einer Hauptrolle nimmt Autor Lutz Hübner die hyperaktive Generation 55+ in einem Flirtkurs auf die Schippe. Die Spielzeit endet mit George Taboris Satire „Mein Kampf“ über den jungen Hitler. Es gibt natürlich ein Wiedersehen mit vielen altbekannten – und jungen – Koryphäen des Jubilars. Neben Volker Lechtenbrink agieren zum Beispiel Jörg Pleva, Maria Hartmann und Felix Lohrengel („Der nackte Wahnsinn“) sowie Uwe Friedrichsen und Peter Striebeck („Halpern und Jones“ 19.4.-26.5.2012).

Die Mischung aus politischen und gesellschaftspolitischen Stücken und Komödien, auch sehr leichten, die 60 Jahre Ernst Deutsch Theater ausmachte, spiegelt sich im Jubiläumsspielplan wieder, der sowohl mit einer Komödie politischen Inhalts beginnt als auch endet. Zwei Eckpunkte ganz im Sinne des Gründers und langjährigen Leiters des Ernst Deutsch Theaters, Friedrich Schütter (1921-1995), der sich auf der Bühne mit der „veränderbaren Unordnung in dieser Welt“ auseinandersetzen wollte. Ein Grundsatz, den seine Frau und Nachfolgerin Isabella Vértes-Schütter aufgenommen hat, die ihre Bühne aber behutsam neuen Formen und neuem Personal geöffnet hat, ohne Regiekonzepte der Staatstheater kopieren zu wollen. Im Ernst Deutsch Theater werden immer noch (oder schon wieder?) Geschichten erzählt. Viele schätzen das Privattheater, dessen heutiges Domizil einst Hamburgs größtes UfA-Kino beherbergte, gerade deswegen.

Text: Christian Hanke
Foto: Oliver Fantitsch

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*