Drehbühne / Hinterm Vorhang

„Das Schiff“ wird 100

Theaterschiff innen

Thea­trale Kulisse im Schiffsbauch

Die Möwen krei­schen. Es riecht nach Hafen. Stolz und schön liegt im Niko­laifleet, im Wech­sel­spiel von Ebbe und Flut, fest vertäut am Musen­kai: das Hambur­ger Thea­ter­schiff mit dem kurzen Namen „Das Schiff“. Bei Hoch­was­ser fahren mit Touris­ten bela­dene Ausflugs­boote vorbei. Dann kommt der ehema­lige Besa­ne­wer biswei­len stark ins Schau­keln. Und mit ihm die Thea­ter­be­su­cher, die auf 120 Stüh­len im Schiffs­bauch Platz finden.

Bevor Das Schiff zur schwim­men­den Bühne wurde, hat es eine bewegte Geschichte hinter sich gebracht. Vor gut 100 Jahren, im Sommer 2012, lief der damals 20,19 Meter lange, elegant-schnee­weiße Besa­ne­wer als „Seemöve“ vom Stapel der Werft van Diepen in Waterhuizen/Provinz Gronin­gen - heute Gronin­gen Ship­y­ard B.V.. Viele Jahre schip­perte das kleine Fracht­schiff über die See, bis es - inzwi­schen zu einem Küsten­mo­tor­schiff mit einer Gesamt­länge von 34,5 Metern verlän­gert - 1975 in den Besitz von Christa und Eber­hard Möbius über­ging. Sie verwirk­lich­ten mit dem Umbau zum Thea­ter­schiff ihren „Traum aus Holz und Eisen“.

Unver­ges­sen die vielen Klein­kunst­pro­gramme und Thea­ter­stü­cke, die fortan auf dem Schiff gezeigt wurden: Gert Fröbe gab hier seine seiner­zeit berühmte Torhü­ter-Nummer zum Besten, „Heini“ Reincke wurde zu Joachim Ringel­natz und Richard Münch sprach seinen gepfleg­ten Goethe und andere hoch­ran­gige Literatur.

Heute ist Das Schiff fest veran­kert in Hamburgs Kultur­land­schaft. Gerd und Anke Schles­sel­mann leben den Traum des angeb­lich einzi­gen hoch­see­tüch­ti­gen Schiffs­thea­ters weiter und mit ihnen Schau­spie­ler, Autor und Regis­seur Michael Frowin. Den holte das Ehepaar 2007 als künst­le­ri­schen Leiter an Bord. „Jeden Abend bei Vorstel­lungs­be­ginn weiß ich: Das ist es, was ich immer wollte. Nah am Publi­kum sein, in direk­tem Kontakt die Menschen unter­hal­ten - das liebe ich“, schwärmt Frowin, der regel­mä­ßig auf der Bühne im Schiffs­bauch auftritt. Ganz nah dran am Gesche­hen ist auch der Zuschauer. Ihm wird bei seiner Suche nach dem rich­ti­gen Platz auch mal seemän­ni­sches Fach­vo­ka­bu­lar abver­langt, wenn die Anwei­sung „achtern back­bord, Reihe 3 Platz 4“ oder „mittschiffs steu­er­bord, Reihe 2 Platz 8“ lautet. - Immer­hin ist keiner der Sitze weiter als sieben Meter von der Bühne entfernt.

Über­haupt geht es sehr mari­tim zu. Unter Deck hat sich aller­lei Seemanns­ge­döns ange­sam­melt. Fischer­netze, Schiffs­glo­cken, Rettungs­ringe, eine alte Flasche - Über­bleib­sel des großen Hambur­ger Bran­des. „Die See verzeiht keinen Leicht­sinn” ist auf einem Schild zu lesen. „Kiel­li­nie“ steht auf einem ande­ren und erin­nert an die vielen Fahr­ten zur Kieler Woche. Aber auch in Bremer­ha­ven, Helgo­land und in Häfen rings um Hamburg hat Das Schiff schon fest­ge­macht. Im kommen­den Jahr hat der noch immer seetüch­tige Pott stolze 100 Jahre unter der Flagge. Seit Juni erstrahlt es dank der Hambur­ger Tradi­ti­ons­werft Blohm&Voss wieder in neuem Glanz.

100 Jahre Das Schiff - das wird gebüh­rend gefei­ert. „Denn“, so Thea­ter­di­rek­tor Schles­sel­mann, „ein trotz seines hohen Alters seetüch­ti­ges Schiff - noch dazu ein Thea­ter­schiff - das gibt es nur einmal. Darauf kann Hamburg stolz sein.“

Im Jubi­lä­ums­jahr 2012 sticht die Schiffs­be­sat­zung mit einem spezi­el­len Jubi­lä­ums-Ensem­ble-Programm ins Hambur­ger Thea­ter­meer. In der Reihe „Stars an Bord“ präsen­tie­ren berühmte Wegbe­glei­ter des Thea­ter­schiffs ihre Programme. Im Okto­ber findet das „2. Hambur­ger Chan­son-Fest“ mit der Verlei­hung des „Deut­schen Chan­son-Prei­ses“ statt, das neben bekann­ten Chan­son-Künst­lern auch dem Nach­wuchs eine Bühne bietet.

Bis dahin lockt das Thea­ter, das sich Kaba­rett, Lite­ra­tur, Musik und Thea­ter auf die Fahne geschrie­ben hat, mit eige­nen Ensem­ble­stü­cken, wie der Sturm-&-Strand-Kabarettrevue „Wenn ich die See seh, brauch ich kein Meer mehr“, dem Georg-Kreis­ler-Abend „Tauben­ver­gif­ten für Fort­ge­schrit­tene“, dem Wilhelm-Busch-Programm „Dumme Gedan­ken hat jeder“, mit einer Neuauf­lage der „Drama­Queens“ oder dem eben­falls neuen Kabarett&Chanson-Programm „Ausstei­gen für Einstei­ger“. Als Gäste ange­heu­ert haben zum Beispiel Chan­son­nier Johan­nes Kirch­berg, die Kaba­ret­tis­ten Joachim Zawi­scha, Martin Zings­heim und Faltsch Wagoni. Chris­tian Quad­flieg präsen­tiert ein lite­ra­ri­sches Programm und ab Novem­ber laufen die Weih­nachts­vor­stel­lun­gen „Angriff der Weih­nachts­män­ner” und „Das Weihnachtsbaum-Komplott“.

Ein Höhe­punkt zum Spiel­zeit­be­ginn ist jedes Jahr aufs Neue die Hambur­ger Thea­ter­nacht. Im rasan­ten Wech­sel zeigt die Schiffs­be­sat­zung eine bunte Mischung der Programme, dass die Plan­ken im Fleet nur so schau­ckeln. Aber keine Sorge: Die Schot­ten sind dicht und Rettungs­ringe vorhanden.

Hans-Peter Kurr

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