Text: Dagmar Ellen Fischer
Das Hamburger Theater Festival setzte von Anfang an auf große Namen: Autoren der Weltliteratur, namhafte Regisseure, bedeutende Schauspieler. Zu Letztgenannten gehört Stefan Kurt. 1959 in der Schweiz geboren, absolvierte er seine Ausbildung am Konservatorium in Bern. Von 1985 bis 1994 gehörte er zum Ensemble des Thalia Theaters. Wer ihn dort nicht sah, kennt ihn aus Dieter Wedels „Der Schattenmann“ oder anderen im Gedächtnis bleibenden Fernseh-Auftritten. Nun ist er in Anton Tschechows „Die drei Schwestern“ als Oberst Werschinin zu erleben.
In Hamburg sind Sie unvergessen als Wilhelm in Robert Wilsons „The Black Rider“, das viele Jahre im Thalia ausverkauft war …
… gerade habe ich mit Robert Wilson in Frankfurt ein Hörspiel gemacht. Ich freue mich immer, mit ihm zusammen zu arbeiten. Einen solchen Menschen trifft man nur einmal im Leben, das ist eine besondere persönliche und künstlerische Beziehung.
Die Schauspielerei war nicht Ihr erster Berufswunsch, zunächst waren Sie Lehrer.
Zuallererst wollte ich Zirkusdirektor, Clown oder Taxifahrer werden. Auch als ich Schauspieler werden wollte, war ich noch sehr jung. Um herauszufinden, ob es nicht nur eine Laune ist, absolvierte ich eine vierjährige Ausbildung zum Primarlehrer in der Schweiz, ich habe sogar ein halbes Jahr auf dem Dorf unterrichtet. Doch danach war der Wunsch noch da, und ich bestand die Prüfung am Konservatorium für Musik und Theater in Bern.
Sie sind als Schauspieler bei Film, Fernsehen und im Theater gefragt. Wie entscheiden Sie, ob Sie eine Rolle annehmen der ablehnen?
Meist höre ich auf meinen Bauch. Wenn der sagt, es klingt interessant, dann mache ich es, sofern ich Zeit habe.
Auch wenn es weniger bekannte Regisseure oder gänzlich unbekannte Stücke sind?
Ja, und auch für weniger oder gar kein Geld. Ich bin in der privilegierten Situation, dass ich es mir manchmal leisten kann, Herzensprojekte zu realisieren, wie beispielsweise die Filme „Desaster“ und „Bis zum Ellenbogen“, die haben wir selbst produziert und nichts verdient.
In Hamburg spielen Sie in Tschechows „Die drei Schwestern“ in einer Inszenierung vom Zürcher Schauspielhaus. Wie nah ist Ihnen Tschechow?
Sehr nah! Meine erste Bekanntschaft mit ihm habe ich am Thalia gemacht, in Jürgen Flimms Inszenierung von „Platonow“ spielte ich einen aufmüpfigen Juden, der betrunken versucht, einen Klappstuhl aufzubauen – eine witzige Nummer. Jetzt habe ich mich wieder neu verliebt in den Autor, der neben Shakespeare und Beckett zu meinen liebsten gehört. Tschechow ist nicht leicht, weil er tragikomisch ist: Manchmal spielt es sich wie ein Boulevardstück, aber es darf nicht oberflächlich werden. Die Balance zwischen tragischen und komischen Elementen zu finden, ist wahnsinnig reizvoll und schwierig.
Was mögen Sie über Werschinin verraten, den Sie in Hamburg verkörpern?
Ich hoffe, er ist ein heutiger Mensch, eben auch eine tragikomische Figur, die es nicht schafft, in der Gegenwart zu leben. Werschinin ist ein Schwadroneur, der redet sich die Welt so, wie er sie gern haben möchte und projiziert seine Wünsche und Träume in die Zukunft. Damit kann er auch ein bisschen Eindruck schinden, aber eigentlich glaubt er sich selber nicht.
Hamburg war neun Jahre lang Ihre Heimat, mit welchem Gefühl kommen Sie nun zurück?
Mit einem wunderbaren Gefühl! Ich freue mich wie ein kleines Kind, wieder in Hamburg zu sein. Dieses Mal zwar nicht am Thalia, sondern im Schauspielhaus; auf dieser riesigen Bühne habe ich noch nie gespielt, das ist eine Premiere für mich. Und meine Hamburger Freunde werde ich zum Gastspiel einladen.
„Die Drei Schwestern“: Deutsches Schauspielhaus, 2.11. um 20 Uhr, 3.11. um 19 Uhr, Tel. 24 87 13