Text: Dagmar Ellen Fischer
Der Adel frönt der Hurerei und weiß Intrigen einzufädeln, die braven Bürger hingegen halten die Moral hoch – in Friedrich Schillers „Kabale und Liebe“ prallen Welten aufeinander. Anselm Weber, Intendant am Schauspielhaus Bochum, inszenierte den Klassiker und gastierte mit seiner Truppe am Montag im St. Pauli Theater, als letztem Beitrag zum diesjährigen Hamburger Theaterfestival.
Das großartige Gastspiel zum Finale brauchte nur zwei Stühle (einen einfachen Holzstuhl für die Bürger, einen gepolsterten für die Blaublütigen), einen Cellisten und acht überzeugende Schauspieler – und das zweieinhalb stündige Drama nahm seinen Lauf: Adelsspross und Bürgerliche lieben sich, doch gegen die von oben gesteuerten Schalthebel der Macht sind die beiden chancenlos. Das Paar allein bewegt sich in zeitloser Kleidung zwischen kostümierten Kollegen und wird so gleich zu Beginn zum Außenseitertum verdammt. Herzzerreißend leiden Friederike Becht und Nils Kreutinger als hoffnungslos Verliebte.
2015 konnte das Publikum Tränen lachen und vor Enttäuschung weinen – die siebte Ausgabe des Hamburger Theaterfestivals bescherte emotionale Extreme. Geweint wurde, weil Robert Wilsons Inszenierung von „Faust I und II“ mit dem Berliner Ensemble ausfallen musste; besonders gelacht wurde ausgerechnet über „Goethe: Faust 1“ vom Kabarettisten-Duo Michael Quast und Philipp Mosetter. Mit einer Auslastung von 93 % und 12.500 Zuschauern in neun Produktionen an 14 Veranstaltungstagen war das aus privaten Mitteln finanzierte Festival erneut sehr erfolgreich.
Private Mittel? Ja und nein. Peter F. Raddatz, kaufmännischer Direktor des Schauspielhauses, schrieb einen offenen Brief nach Festivalende, in dem er diese Information relativierte: „… die hiesigen Theater, die ihre Räume für die Vorstellungen zur Verfügung stellen, berechnen nur eine moderate Miete. Ohne das finanzielle und ideelle Entgegenkommen der beteiligten Theater wäre das Hamburger Theaterfestival kaum in diesem Rahmen zu finanzieren. Es sind also in erheblichem Umfang auch öffentliche Gelder aus dem Bereich der Theaterförderung an diesem Festival beteiligt: Schließlich ist jede eingeladene Inszenierung auch mit öffentlichen Mitteln an Stadt- und Staatstheatern produziert worden.“