Jahrmarktsatmosphäre in der Komödie Winterhuder Fährhaus. Wie ein großes Karussell lässt Regisseur Klaus Gendries seine Inszenierung vom Filmklassiker „Der blaue Engel“ in neuer Fassung von Peter Turrini nach dem Roman „Professor Unrat“ von Heinrich Mann ständige Drehungen vollziehen. So werden die vier Bilder der Inszenierung sichtbar, quasi aufgeklappt, in denen die bekannte Geschichte vom Niedergang des sittenstrengen Gymnasiallehrers Professor Immanuel Rath erzählt wird, von seinen Schülern nur Unrat genannt, der sich heillos in die Nachtclub-Welt der feschen Lola verheddert. Ein Clown und der Klavierspieler fügen dem Tingeltangel- Charakter der Inszenierung behutsam einen Touch von Moritat und pantomimische Interpretationen des Geschehens hinzu.
In diesem Ambiente können die acht Schauspielerinnen und Schauspieler überzeugen. Walter Plathe spielt den der „Tänzerin Fröhlich“ verfallenen Pädagogen glaubwürdig als strengen Pauker, der in Lolas Armen regelrecht dahinschmilzt und schließlich seiner Würde, die er hilflos zu verteidigen sucht, im harten Showbusiness verlustig geht. Überzeugend auch Stefanie Dietrich als clevere Lola, „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, kein Biest, sondern eine einfache Frau, die sich reizvoll zu behaupten weiß. Auch das zweite Paar, Maria Mall und Reiner Heise, als Lolas Arbeitgeber Kiepert und dessen Frau, macht eine gute Figur. Maria Mall beeindruckt als ungeliebte, durch ständigen Alkoholgenuss beeinträchtigte Aktrice und Reiner Heise als herzloser Dauer-Filou. Gendries‘ gelungene Inszenierung lädt nicht zum Dauerlachen ein. Selten wurde in der Komödie Winterhuder Fährhaus am Ende so verhalten reagiert. Die Tragödie in der Komödie hat gesessen. Eine glatte zwei – wegen einiger Längen. Setzen!
Text: Christian Hanke
Foto: Joachim Hiltmann