Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Malene
Klaus Hoffmann singt Brel – sagt die Ankündigung. Richtiger wäre: Klaus Hoffmann lebt Brel. Oder wie er es selbst auf den Punkt bringt: „Ich kannte ihn nicht, ich liebte ihn!“
Am liebsten mag es der in Berlin lebende Liedermacher, wenn man ihn schlicht Sänger nennt. Dabei ist er so viel mehr: Schauspieler, Poet, Buchautor und ebenso kluger wie charmanter Moderator seiner Abende. Und die sind auch viel mehr als ein Konzert: eine äußerst unterhaltsame One-Man-Show, pardon, ein Zwei-Männer-Event: Hawo Bleich begleitet den Sänger kongenial am Flügel.
Klaus Hoffmann ist der einzige von Brels Witwe autorisierte Interpret, der dessen Chansons übersetzen und in deutscher Sprache singen darf. Und das macht er als Seelenverwandter einzigartig: Der zweieinhalbstündige Abend klingt wie der Soundtrack zu Hoffmanns Leben. Schon auf seinem allerersten Album – 1975 kamen erste Lieder auf einem Langspielplatte genannten Medium auf den Musikmarkt – interpretierte er Brels berühmtes „Amsterdam“, „So sind hier die Leute“ („Ces gens-là“) und „Adieu Emile“. Entdeckt hat er ihn als Jugendlicher, während er in Berliner Clubs und Kneipen mit seiner Gitarre unterwegs war, auf der Suche nach dem „eigenen Lied“. Im Laufe von inzwischen Jahrzehnten eignete oder zog sich Klaus Hoffmann Brels Lieder an, sie passen ihm wie eine zweite Haut.
„Das Beste an diesen Abenden ist die Erkenntnis, dass Brel auch so schwitzte“, witzelt Klaus Hoffmann schon bald nach Beginn, als ihm erste Schweißperlen auf der Stirn stehen. Zur Begrüßung singt er das Chanson „Les Bourgois“, deutsch „Die Spießer“, in dem er Brels drastische Sprache nachdichtet: „Wir zeigten ihnen den Arsch, höflich wie wir waren …“. Jene frühe Phase der Tingelei und Selbstfindung im Berliner Nachtleben kommentiert er selbstironisch: „Ich sah fantastisch aus, aber das half auch nicht.“
In den folgenden zwei Stunden erzählt Klaus Hoffmann abwechselnd aus seinem eigenen und Jacques Brels Leben, die sich zunehmend zu überschneiden scheinen, obwohl der 1929 geborene Brel seine Karriere offiziell schon beendet hatte, als Klaus Hoffmann, Jahrgang 1951, Ende der 1960er-Jahre startete. Beide fanden ihre ureigensten Lieder, denn selbst wenn Hoffmann Brel singt, ist es der Typ aus Berlin, dem es gelingt, der deutschen Sprache eine originäre Poesie zu entlocken.
„Sein Vater hatte eine Kartonfabrik“, weiß er über Brel zu berichten. „Wusstest du das?“, fragt er wie beiläufig seinen Pianisten. „Du musst es wissen, ich erzähle es dir jeden Abend!“ Das Publikum lacht. Eigentlich erzählt er es dem Publikum. Das fragt er auch, ob er sich ausziehen darf, weil er so schwitze. „Ich komme aus einer Zeit, wo man höflich fragte, ob man sein Jacket ausziehen darf. Aber Sie werden nicht antworten …“
Brel und Hoffmann schaffen es, sich bei einem Lied derart zu verausgaben, dass der lang anhaltende Applaus danach zur absolut nötigen Pause wird. Hoffmann, als erfahrener Schauspieler, kleidet jedes einzelne Chanson in ein eigenes Gewand, mal mit Gitarre, mal nur am Mikrofon, das sogar zur Tanzpartnerin mutiert. „Brel verbrannte sich, obwohl er an sich schüchtern war.“ Auch das gilt für Klaus Hoffmann. „Ich vermute, er war einsam. Ich war einsam.“
Es folgen „Marieke“, „Geh’ nicht fort von mir“ und „Wenn uns nur Liebe bleibt“. „Brel lebt!“, ruft Klaus Hoffmann am Ende seines Konzerts in den Zuschauerraum – und verschwindet. Das Publikum will ihn noch nicht gehen lassen und erklatscht zwei Zugaben: „Les Bonbons“, bei dem Klaus Hoffmann noch einmal richtig aufdreht. Und dann den tatsächlichen Abschied: „Adieu Emile“! Was bleibt? Das Gefühl, einen guten Freund getroffen zu haben, und im Gespräch mit ihm vergingen zwei Stunden wie im Flug.
Im November 2023 erscheint Klaus Hoffmanns neues Album „Flügel“