Wer Spanisch kann, ist klar im Vorteil. Etwa wenn man die Serrano fluchen hört, hervorragend von Judith Tellado Gonzalez gespielt und gesungen. Die erste Szene der Theater- und Musikproduktion von David Chotjewitz spielt in der Garderobe des Berliner Sportpalastes, als Rosita nach abgebrochenem Auftritt 1953 auf der „Nacht der Prominenten“ bei einem Pfeifkonzert zusammenbricht. Die intime Bühne des Monsun Theaters kommt mit spärlichen Requisiten aus und lebt ganz von der Präsenz der Vortragenden, die in einer Art Menage à Trois durch das turbulente Leben der chilenischen Diseuse führen. Ein Flashback führt ins Jahr 1937, als die Serrano – mit bürgerlichem Namen Maria Martha Esther del Campo – ihrer Mutter, einer berühmten Opernsängerin, nach Berlin folgt. Der Intendant des Berliner Wintergartens lässt sich vom koketten Charme der Serrano einfangen und gibt ihr für einen Abend die Bühne frei, ohne sie zu kennen. In holperigem Deutsch mit dickem spanischen Akzent sagt sie: „Politik interessiert mich nicht“, worauf ihr der Direktor des Hauses, von Harald Burmeister mit überzeugender Schnöseligkeit gespielt, entgegnet: „Damit können Sie Karriere machen in Deutschland!“ Und so kommt es auch.
Die Serrano lässt sich gerne mit Gitarre oder Klavier begleiten, säuselt auf Spanisch „La Paloma“ ohne „Blonde-Hans-Allüren“ und bietet die alberne Nummer „Onkel Jonathan“ dar. Als Komponist Michael Jary begleitet sie Georg Sheljasov, im wahren Leben Gonzalez’ Ehemann. Viel Text hat er nicht, dafür spielt er immer wieder ein anderes Instrument, wie übrigens auch sein Counterpart Harald Burmeister. Überraschend ist die Vielseitigkeit der Darsteller, die immer wieder zwischen Schauspiel und Musik wechseln. Während der Pause wird das altersgemischte Publikum mit Zarah Leander Liedern berieselt, für die der aus dem polnischen Judentum stammende Michael Jary und der männeraffine Texter Bruno Balz, erneut Harald Burmeister, komponiert und geschrieben haben. Derweil ist die Serrano zur Truppenbelustigung unterwegs und bezirzt verletzte Wehrmachtssoldaten. Doch langsam tritt eine Wandlung bei der Nazi-Sirene ein – wie vielleicht auch bei Zarah Leander. Vor einem Abschiedskonzert im Berliner Metropol meint die Serrano selbstkritisch: „Wir machen Musik, und um uns sterben Menschen!“ Damit waren nicht nur deutsche Soldaten und Bombenopfer gemeint, sondern auch jüdische Deutsche, die einfach „verschwanden“.
Folgerichtig setzt sich die Serrano nach Schweden ab, in ein freies Land, dort gibt sie ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten jüdischer Flüchtlinge. In Nazi-Deutschland ist sie damit persona nongrata, ihre Konten werden eingefroren. Nach verhunztem Comeback in den 1950er Jahren stirbt die Serrano hochbetagt 1997 in Santiago de Chile. Der Abend ist Theater und Musikrevue, überzeugend inszeniert von David Chotjewitz. Manchmal bekommt man unwillkürlich eine Gänsehaut, von der ausdrucksstarken Sängerin und ihrer feinen Stimme, oder liegt das etwa an den alten Nazi-Schlagern wie „Davon geht die Welt nicht unter“?
Text: Jakob Krajewsky
Es gab sehr viele Kuenstler, Saenger wie auch Schauspieler, die in Nazi-Deutschland eine gute Karriere hatten – und sie in Nachkriegsdeutschland unangefochten fortsetzten. Heinz Ruehmann, oder Gustave Gruendgens, und viele andere. Ganz genau wie viele Nazigroessen aus dem prosaischen Leben, die nach wwii ungehindert in brd und ddr wieder gross wurden.
Rosita Serrano hat Deutschland 1943 den Ruecken zugekehrt und wurde darum in 1951 in Berlin ausgepfiffen und nicht mehr akzeptiert. Man sagt es nur nicht, sonder spottet ueber die Saengerin.