Kritik / Schauspiel

Am Beispiel meines Bruders

Polittbüro
Text: Christian Hanke

„Ich bin kein Nazi gewesen“, stellt Vater Timm gleich klar. Er interessiere sich für Politik, liebäugelte nach dem Krieg mit dem Eintritt in die FDP oder in die rechtslastige Deutsche Partei, aber in der NSDAP sei er nie gewesen. Es ist der Vater des Schriftstellers Uwe Timm, dessen  autobiografisches Buch „Am Beispiel meines Bruders“ die Grundlage für eine bewegende Inszenierung auf der gewöhnlich dem Kabarett dienenden Bühne des Polittbüros darstellt.

Zwei Schauspieler spielen die Mitglieder der Familie Timm, deren Geschichte während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit erzählt wird. Nicht alle Mitglieder. Über die Hauptperson wird nur gesprochen, über den Bruder von Uwe Timm: Karl-Heinz, der folgsame Sohn, der sich mit 18 freiwillig zur SS meldete und im Oktober 1943 in Russland fiel. Der Held der Familie, der Kürschner werden wollte, wie der Vater.

Kai Hufnagel und Tommaso Cacciapuoti erzählen und spielen eine in vielerlei Hinsicht typische deutsche Familiengeschichte: Der Vater hat das Sagen, ein allseits beliebter Patriarch, Chef eines Kürschnerbetriebs, begeistert vom Deutschtum; die Mutter, eine spröde Hamburgerin, von Cacciapuoti wunderbar dargestellt mit Perlenkette und hanseatischem Spitzen-Stein-Sound. Tochter Hannelore, die Pech mit den Männern hatte, lächelt graumäusig alles weg. Uwe, der Jüngste, konfrontiert den Vater im zweiten Teil mit den Nazigräueln, von denen dieser nichts gewusst haben will – der typische Generationskonflikt der 1968er. Mal wieder, aber immer wieder aufwühlend, wenn zwei so exzellente Darsteller mit wenigen Mitteln so klar diese typischen Deutschen verkörpern. Sehenswert!

Aufführungen: 9., 10. und 30.11. sowie 1.12., 20 Uhr, Polittbüro

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