Shakespeares erster Versuch, eine Komödie zu schreiben, ist eng mit dem Zeitgeist des 16. Jahrhunderts verwachsen. „Die Komödie der Irrungen“ – diese erste Fingerübung des genialsten aller Theaterautoren auf dem Weg zum „Sommernachtstraum“ – kann deshalb heute auf der Bühne kaum noch spannend realisiert werden. Dennoch hat es die künstlerische Leitung des English Theatres versucht … mit, wie vorhersehbar, begrenztem Erfolg, der sich ausschließlich auf das darstellende Personal gründet, diese gut gelaunten englischen Schauspieler also, die sich mit Saft und Verve in ihre Rollen katapultieren, als wäre Theaterspielen keine harte Arbeit, sondern pure Freude.
Ihnen ist der am Premierenabend deutlich spürbare Publikumserfolg zu verdanken, partiell auch ihrem Regisseur Graham Watts. Der allerdings hat vom antiken plautinischen Ephesus, in dem Shakespeare sein Spiel ansiedelt, nichts übrig gelassen, sondern das ohnehin schwer nachzuvollziehende Verwechslungsspiel zwischen zwei Zwillingspaaren modernistisch in unsere Gegenwart transponiert. Eine heute häufig anzutreffende Unsitte, die das Verstehen der Geschichte um den alternden Kaufmann Aegeon aus Syrakus zusätzlich erschwert: Dessen Familienmitglieder (Zwillingssöhne und Zwillingsdiener nebst den dazugehörigen Damen) treffen Jahre nach einem, hier raffiniert inszenierten, Schiffbruch à la „Was Ihr wollt“, schicksalhaft wieder zusammen. Aber hat sich der Zuschauer damit einmal abgefunden und konzentriert sich auf die Komödianterie der begabten Doppel- und Mehrfach-Rollen-Darsteller, so wird ihm reine Freude beschert – zumal auch Matthias Wardecks schlichtes Bühnenbild nicht ablenkt. Heißt es bei Shakespeare lediglich „Szene in Ephesus“, bietet der Setdesigner eine eher neutrale Spielfläche, auf der die Schauspieler sich tummeln können.
Zitieren wir ausnahmsweise statt eines eigenen Fazits den Shakespeare-Forscher B.H. Bonsels, der diesen Abend im English Theatre schildert, als wäre er als Gast dabei gewesen: „Die Fabel des Lustspiels ist durchaus phantastisch. Unter der Voraussetzung einiger Toleranz hinsichtlich der Glaubwürdig schimmert dieses Spiel unaufhaltsamer katastrophaler Verwechslungen von heiterster Lebenslust und übermütigem Witz. Das durchweg Schwankhafte, ja selbst Possenhafte der Handlung ist überall durch den Geist hoher Sprech- und Verskunst geadelt.“ – So auch hier, im English Theatre, im 35. Jahr seines Bestehens: Welches Glück, dass englischsprachige, shakespeare-trainierte Schauspieler den Abend zelebrieren.
Text: Hans-Peter Kurr
Foto: Hans-Jürgen Kock