Apropos ...

Kurr knurrt

Der Schauspieler, das unbekannte Wesen

Kurr knurrt dieses Mal im Rahmen eines vorweihnachtlichen Rätselspiels. Die Antworten des Autors auf die hier zu lösenden Fragen werden Sie, geschätzter Leser, im Januar 2012 an dieser Stelle zum Vergleich mit Ihren Lösungen finden können.

Schauspieler sind eine besondere Spezies Mensch. Das sich hinter dieser lapidaren Behauptung verbergende Geheimnis soll aber hier und heute gar nicht enthüllt werden (was aufgrund der Komplexität des Themas ohnehin im vorgegebenen Rahmen nicht erschöpfend möglich wäre), sondern als unterhaltsames Spiel durchgeknurrt werden.

Drei Beispiele mögen Kunde geben davon, wie schwer das Leben eines Mitgliedes des Berufsstandes „Schauspieler“sein kann (und häufig ist!), sobald augenfällig Öffentlichkeit hergestellt wird. Diese Denkmodelle sollten dennoch ernsthaft betrachtet werden, da sie von jemandem geschrieben wurden, der – obzwar aus journalistischen Gefilden kommend – den Beruf des Menschendarstellers und -regisseurs seit fast 50 Jahren ausübt. Nun denn, zur Sache.

Rätsel Nr. 1:
Will Quadflieg, im Interview durch eine Rundfunkmoderatorin befragt, was sein vordringliches Gefühl während einer vier- oder fünfwöchigen Probenzeit sei, verblüffte sein Gegenüber mit der Antwort: SORGE; Sorge darüber, ob es ihm in dieser kurzen Zeit gelingen werde, den Charakter, den er vertragsgemäß darzustellen habe, überhaupt zu finden! Frage: Auf welche Weise entledigt sich dieser große Schauspieler der Sorge, um Ergebnisse hervorzubringen, wie wir sie von ihm kannten?

Rätsel Nr. 2:
Nicole Heesters gab in einem TV-Interview, zu der Zeit, in der sie im Ernst-Deutsch-Theater die Claire Zachanassian spielte, den scheinbar rätselhaften Satz von sich „Ab mittags gehört der Tag der Claire!“ und musste anschließend die Frage beantworten: „Wie ist es Ihnen möglich, so viele – zuweilen auch unterschiedliche – Rollen zu lernen, wenn Sie an einem Theater engagiert sind, das Repertoire spielt?“ (Anmerkung der Red.: Dieser Begriff wird verwendet für einen nahezu täglich wechselnden Spielplan, im Gegensatz zum En-suite-spielen, das bedeutet, eine gewisse Zeit allabendlich z.B. die o.g. Zachanassian darzustellen.)
Die Lösung dieses Rätsel wird Ihnen umso schwerer fallen, wenn Sie jetzt noch hören: „Text kann man nicht lernen, denn: Text aufsagen hat mit Rollengestaltung nichts zu tun!“

Rätsel Nr. 3:
Kann man zustimmen, wenn der Boulevard-Journalismus behauptet, eine junge, hochbegabte Schauspielerin wie Maria Kwiatkowski, die kürzlich 26-jährig verstarb, habe deshalb kein hohes Lebensalter erreicht, weil sie sich unablässig mit ihren Rollen identifiziert habe und daher sehr früh ausgebrannt sei ?
Oder generell gefragt: Darf ein Schauspieler sich überhaupt vollständig mit seiner Rollenfigur identifizieren? Und daraus folgert die zweite Zusatzfrage: Welche ist die dem heutigen Zeitgeist und daher dem Ziel der Verstehbarkeit für den Zuschauer am ehesten entsprechende Methode der Menschendarstellung im Schauspiel?

Viel Freude, geehrter GODOT-Leser, bei der Lösung dieser Rätselfragen. Damit Sie sich noch intensiver in den Themenbereich einfühlen können, ein kurzes Knurren, zitiert aus dem Bändchen „Von Mimen, Masken und Mimosen“ des Wiener Theatermannes Hans Weigel, der der Lösung der Fragen sehr nahe kommt:

„Stellen Sie sich vor, dass Sie auf einer Bühne stehen. Sie müssen nichts weiter tun, als von einer Tür zu einem Fenster zu gehen, jenes zu schließen und wieder zurück zu gehen. Aber Sie können es plötzlich nicht, Sie merken, dass Sie Beine haben, und in den Beinen erwacht ein Bewusstsein, nein zwei, in jedem erwacht eines. Und das ist noch gar nichts gegen Arme und Hände. Sie meinen, auf einmal Dutzende von Armen und Händen zu haben. Alles, was Sie tun, wird zum Problem, wird bewusst und muss auf der nächsthöheren Ebene wieder verständlich werden. Das ist das kleine Einmaleins!“

Text: Hans-Peter Kurr

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