Kritik / Schauspiel

Die Ratten

Deutsches Schauspielhaus
Text: Dagmar Ellen Fischer

Blutige Hände holt sie sich, jene gestörte Jette John, als sie einer ledigen Mutter bei der Geburt hilft. Das Kind gibt sie dann als ihr eigenes aus, als Ersatz für den vor Jahren verlorenen Sohn. Als die leibliche Mutter wenig später erneut fordernd vor der Tür steht, wird Frau Johns ohnehin krimineller Bruder die Sache erledigen – sie muss sich nicht noch einmal die Hände schmutzig machen.
Gerhart Hauptmanns Tragikomödie „Die Ratten“, 1911 uraufgeführt, weist in Punkto mörderischer Kindsvernachlässigung erschreckend aktuelle Bezüge auf: Soziale Not und unfähige Betreuerinnen beförderten schon vor 100 Jahren menschliche Katastrophen. Dass die in Karin Henkels Inszenierung erstaunlich kalt lassen, liegt an einer bewusst gewählten Unentschlossenheit, dem bezuglosen Nebeneinander von tragischen und komödiantischen Anteilen – dem die Beziehungslosigkeit der Beteiligten entspricht. Lina Beckmann in der Rolle der verwirrten Jette John spielt sich dabei die Seele aus dem Leib. Ein Sozialdrama, mit scharfem Messer seziert.
Weitere Vorstellungen: 23./29.10., 20 Uhr, 6.11., 19.30 Uhr, 16.11., 18 Uhr, Deutsches Schauspielhaus,
Karten 10–34 Euro, Tel. 24 87 13

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