Text: Dagmar Ellen Fischer | Foto: Alexandra Calvert
„Die Welt liegt in Schutt und Asche“ – konstatieren Überlebende 1919 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Hin- und hergeschüttelt zwischen gründlicher Verzweiflung, rücksichtsloser Genusssucht und dem Traum, alles besser machen zu wollen, wird in Deutschland die erste Republik geboren. Wie blutig diese Geburt war, davon erzählt die jüngste Produktion vom Axensprung Theater: „Gier – Weimar, die erhitzte Republik“ fängt das Lebensgefühl jener Zeit beängstigend gut ein.
Seit fünf Jahren begeistert das Hamburger Ensemble mit einem neuen Genre: Historische Fakten rahmen eine Erzählung ein, in der berührende Einzelschicksale die Vergangenheit lebendig werden lassen. Im aktuellen Stück begegnet dem Publikum nun eine überzeugte Kommunistin, die sich und drei Kinder vor ihrem gewaltbereiten, deutschnationalen Mann schützen muss. Hilfe bekommt sie von einem undurchschaubaren Spekulanten, der die Inflation für sich zu nutzen weiß. Ein zwielichtiger Kriegsversehrter und eine Nachtclub-Sängerin ergänzen den Reigen der für eine Großstadt wie Hamburg in den 1920er Jahren typischen Gestalten. Anhand der individuellen Lebensumstände werden Themen wie Wohnungsnot, Antisemitismus und die fatalen Verletzungen durch den Krieg so anschaulich gemacht, dass den Zuschauern die Charaktere während des 90-minütigen Abends geradezu ans Herz wachsen. Zum Team um Gründer Oliver Hermann gehören Autor und Regisseur Erik Schäffler, Posaunist Markus Voigt, der Jazz-Songs im Stil der Zeit komponierte, sowie Mignon Remé und Angelina Kamp – und alle Fünf begleiten das Publikum spielend auf der faszinierenden Zeitreise.
Die gelingt besonders leichtgängig durch eine beeindruckende Bilderserie von Andreas Karmers: Eigene Gemälde, zeitgenössische Plakate und Fotos von dunklen Hamburger Hinterhöfen, auf die Bühnenrückwand projiziert, evozieren die perfekte Atmosphäre.
Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24: 10./17./24.11.,12./26.1., 2./9./16./23.2. jeweils So., 19.30 Uhr, Karten 30/20 Euro, Tel. 428 13 10 oder info@museumsdienst-hamburg.de