Roter Teppich, silbern-gläserner Tresor, Pauken und Fanfaren, in diesem Ambiente fand die Gründungsversammlung der Hamburger Kinderbank am Montag im Fundus Theater statt. Die 52 Aktionäre, allesamt Drittklässler der Schule Richardstraße, hoben vier Schätze aus dem Tresor. Nach knapp anderthalb Stunden zugleich feierlicher und humorvoller Zeremonie legte sich der frisch gewählte Vorstand unter die Bank: Mitglieder des Forschungstheaters/Fundus Theaters, ein Schüler, eine Schülerin, zwei Studentinnen der Hafencity Universität (HCU) und eine Lehrerin.
Eurokrise, davon war in der zweiten Jahreshälfte 2011 fast täglich in der Zeitung zu lesen. Im gleichen Zeitraum haben sich die Kinder damit beschäftigt, was das überhaupt ist – Geld. Dabei forschten sie gemeinsam mit den Projektpartnern von HCU (Studiengang „Kultur der Metropole“) und Forschungstheater (Hannah Kowalski, Hanno Krieg und Sibylle Peters) über den Wunsch reich zu sein; wer das Geld regiert, was es mit Schenken und Tauschen zu tun hat, wie Währung und Bank funktionieren.
Das vorläufige Ergebnis ist die Gründung einer eigenen Bank – frei nach dem Brecht’schen Spruch: „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ O-Ton eines Kindes bei der Versammlung: „Wir wollen unser Geld selber machen, weil wir auch reich werden wollen.“ Folglich gibt es eine eigene Währung: den Abenteuer. Die Aktionäre erhielten jeder zehn 100-Abenteuer-Scheine. Abenteuer kann man zwar eigentlich nicht kaufen, doch für alle Beteiligten ist die Kinderbank ein Abenteuer. Ist sie erfolgreich, könnte sie sich über den Stadtteil Eilbeck hinaus in Hamburg ausbreiten.
Ein anschwellender Paukenwirbel vom Mischpult, zwei Kinder öffneten mit den angeketteten Schlüsseln den jeweiligen Schatz. Eins bis Vier: der Wunsch reich zu werden, die Goldreserven, Funktionsweise und das Netzwerk der beteiligten Einzelhändler. Studenten in Leuchtwesten gehen Kindern und Theaterleuten zur Hand. Abstrakte Begriffe, Stadtpläne und konkrete Vorgänge spielt das Team mit Papier und Körpern in der Mitte des roten Teppichovals oder auf und um den Tresor herum. Eine an der Decke installierte Kamera filmt und projiziert das Geschehen auf die Leinwand. So ist auch das Stempeln der noch ungültigen Geldscheine besser zu sehen. Ein Anker setzt die Scheine in Wert. Peters, Kowalski und Krieg moderieren die Versammlung, überbrücken kleine technische Pannen und erzählen wahre Geldgeschichte(n).
Ist die Kinderbank ein Spiel, ein Projekt in Gesellschaftskunde oder Wirtschaftswissenschaften, eine theatrale Inszenierung? Sie ist von all dem etwas und zugleich kein beliebiges Projekt unter ferner liefen. In einer Stadt, in der wie in kaum einer anderen der Spalt zwischen Arm und Reich zur Schlucht zu werden droht, ist die Auseinandersetzung mit Geld und seiner Bedeutung elementar. Und warum sollten Kinder dazu weniger in der Lage sein als Erwachsene, die erwiesenermaßen häufig nicht verstehen, „wo das ganze Geld geblieben ist“. Schon früh ein Gespür für Inszenierungen, Rituale, soziale Prozesse und ihre Bedeutung zu entwickeln, wird die Kinder eher in die Lage versetzen, solche Vorgänge zu beurteilen und sie so weitgehend wie möglich mitzugestalten, als volkswirtschaftliche Abhandlungen.
In der Inszenierung der Gründungsversammlung wurden zwischen den Tagesordnungspunkten kurze Video-Interviews auf einer Leinwand eingespielt. Die Jungen und Mädchen schilderten ihre Beobachtungen zu Armut, äußerten sich zur Gestaltung der Geldscheine und machten Vorschläge zum Verfahren und zu Ausgabe, Bewertung und Fluss der Abenteuer-Währung. Als die Achtjährigen ihre Goldreserven vorstellten, verblüfften sie die rund 30 Zuschauer mehr als einmal mit ihren schöpferischen und umsichtigen Entwürfen. „Ich habe mir eine digitale Form ausgedacht, weil das [Gewicht] leichter ist“, erläuterte ein Junge. Ein anderer, dem zunächst nichts eingefallen war, erfand beim Herumbasteln einen Alien als Goldreserve, der zugleich Gesprächspartner für Menschen im Altenheim sein solle.
So funktionert es:
Das Abenteuergeld wird von Einzelhändlern und Dienstleistern in Hamburg Eilbek für ausgewählte Artikel in Zahlung genommen. Das können beispielsweise ein antiquarischer Comic, ein Apfel oder Schokolade sein. Kinder bis 14 Jahre dürfen damit bezahlen. Die Netzwerk-Partner bringen das Geld dann weiter in Umlauf.
Nähere Informationen unter: www.kinderbank-hamburg.de
Text & Foto: Angela Dietz