Kritik / Musiktheater

Orpheus in der Unterwelt

Allee Theater – Hamburger Kammeroper

Himmel und Hölle vereint: Jupiter (Titus Witt, l.) und Pluto (Edilson Silva Junior)

Text: Sören Ingwersen | Foto: G2 Baraniak

Lasziv räkelt Eurydike sich auf einem floralen Lager aus Moos und Gras. Aber es ist nicht ihr Gatte Orpheus, den sie sehnsüchtig erwartet, sondern Gourmet-Koch Aristeus, der seiner neusten Eroberung zunächst ein feines Süppchen kocht und sich schon bald als Pluto, der Gott der Totenwelt zu erkennen gibt. Jacques Offenbachs Operettenspaß „Orpheus in der Unterwelt“ verwandelt den antiken Mythos in eine frivole Farce, dessen respektlose Komik der regieführende Intendant des Allee Theaters, Marius Adam, bis zum letzten Tropfen auskostet.

Die Handlung ist dabei recht abstrus: Weil Göttergattin Juno ihren Mann Jupiter verdächtigt, die Menschenfrau Eurydike aus fleischlichem Verlangen entführt zu haben, zitiert dieser Unterweltchef Pluto in den Olymp, wohlwissend, dass er es war, der mit Eurydike angebandelt und sie in sein Höllenreich gelockt hat. Doch Jupiters Wunsch nach einem hieb- und stichfesten Alibi führt ihn seinerseits in Versuchung, Eurydike für sich zu gewinnen. Anlass zu ebenso witzig-schmissigen wie liebestollen Arien gibt es bei diesem Wettstreit um die Gunst der Schönen  zuhauf, und das stimmlich bestens aufgelegte Sängerensemble meistert sie mit Bravour.

Ein Spaß ist es zu sehen und hören, wie Bariton Titus Witt als schnoddriger Jupiter seine aufmüpfige Götterschar in Zaum zu halten versucht und – verwandelt in eine Fliege – die auf einem von Plutos Sarg-Ottomanen hindrapierte Eurydike liebestrunken umsummt. Als seine eifersüchtige Frau Juno gibt Susanne Lichtenberg einen herrlich verhärmten Hausdrachen ab. Männerverschleißend und schnell gelangweilt glänzt Sopranistin Anne Elizabeth Sorbara in der Rolle der Eurydike, während Berus Komarschelas Orpheus so brav und bieder die Geige streicht, dass man jede Frau verstehen kann, die ihm davonläuft. Ein wunderbarer Widerling ist Edilson Silva Juniors Pluto, der mit seinen Plateauschuhen, schneidigem Tenor und wild züngelnd eine wahrhaft teuflische Travestie abgibt. Aus dessen Diener Hans Styx macht Schauspieler Olaf Kreutzenbeck eine grandios morbide Witzfigur. Komplettiert wird das 14-köpfige Ensemble von den beiden Tänzerinnen Sabine Barthelmess und Sonya Lachmann, die nicht nur im berühmten Can-Can das amouröse Thema aufreizend unterstreichen.

Dass dieser knallig-freche Abend mit seinen stimmungsvollen Bühnenbildern und klassisch gehaltenen Kostümen so ein großer Genuss ist, liegt auch an dem exquisit aufspielenden Instrumentalensemble mit Pianist Simon Münzmay (Leitung), Geigerin Eliza Bukharova, Klarinettistin Sonja Jünemann und Cellistin Erika Sehlbach. Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um eine so aufwändige Produktion auf einer so kleinen Bühne zu verwirklichen. Dass die Hamburger Kammeroper in dieser Hinsicht Mut zeigt, ist ein wahrer Glücksfall.

Weitere Aufführungen: 29.–31.12., 6., 7., 12.–14., 20., 21., 26.–28.1., 2.– 4., 9., 11., 16.–18., 23., 24.2., Allee Theater

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