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Aus der Not eine Jugend gemacht

„Urban“, Circolombia in den Fliegenden Bauten
Urban

Auch diese sechs wollen nur spielen - ihre spektakulären Stunts sind Höhepunkte der Show

Das Bühnenpodest wurde kurzerhand abgebaut, sonst hätte der Platz zwischen Boden und blauer Zeltdecke einfach nicht gereicht, denn die 16 sensationellen Akrobaten von Circolombia nutzen die Vertikale bei ihren ungebremsten Höhenflügen bis auf wenige Zentimeter restlos aus – am Trapez, zu dritt übereinander gestapelt und während der gewaltigen Sprünge. Das zweistündige Power-Programm „Urban“ begeisterte das Hamburger Publikum bei der Deutschlandpremiere in den Fliegenden Bauten.

Sie zeigen das, was sie können und das, was sie mögen, in einer nie dagewesenen Kombination: Zirzensische Attraktionen mischen sie grundsätzlich mit HipHop-Kultur auf, so zum Beispiel Bodenakrobatik mit Breakdance, Trapez am Vertikaltuch mit Live-Rap im Hintergrund, Seilspringen als Multitasking-Nummer als Battle mit drei Springseilen inszeniert. Und in zwei Meter Höhe bewegen sich zwei Kerle ebenso cool wie geschmeidig: In einer Mischung aus katzenähnlichen Bewegungen und Salti auf schmalem Tau zeigen sie im wahrsten Sinn des Wortes Seiltanz. Egal, ob sie sich aufs Rad binden, singend in die Tonne steigen oder gegenseitig mit dem Wippen-Katapult hochschießen – jede Nummer wird mit HipHop versetzt, und sei es nur durch die unverwechselbaren Hand- und Fingergesten oder das Kapuzen-Kappen-Outfit.

Circolombia: Der Name der Truppe verrät auch ihre Herkunft, vom Zirkus und aus Kolumbien. Die ehemaligen Straßenkids fanden allesamt in der Schule „Circos Para Todos“ in der Stadt Cali ein neues Zuhause – und eine Perspektive. Einer von ihnen erzählt stellvertretend für alle, dass sein Leben ziemlich beschissen und echt hart war, bis er im Alter von 15 Jahren den Zirkus entdeckte. Heute touren die 17- bis 25-Jährigen durch die Welt und stecken die Zuschauer mit ihrer unbändigen Energie an. Und jede/r von ihnen ist ein Original, nicht nur durch sein individuelles Talent, sondern auch durch die kreierte Figur: Einer ist eher Clown, der andere mehr Gangsta, einer scheint vom Voodoo inspiriert, ein anderer vom Karneval, und wieder andere lieben das betont halbseidene oder das pragmatisch-sportive Image. 16 sehenswerte Unikate zwischen Virtuosität und krassen Vorlieben.

Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Miky Calero

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