„Ich kann auch nicht singen!“, gesteht die Sängerin auf der Opernprobe. Und als ein Chor gefragt ist, heißt es „Chor? Wir sind ein Netzwerk, wir sind ein ganz lockerer Haufen!“ In seinem für Hamburg neuen Stück behauptet René Pollesch: „Die Kunst war viel populärer, als ihr noch keine Künstler wart.“ Ja, das kann er, der Autor und Regisseur Pollesch, Behauptungen und Schauspieler aufstellen.
„Ich kann nicht mit so vielen ins Bett, nur wenn es Proletarier sind.“ (…) „… sollten keine losen Reden führen.“ (…) „Etwas, das ohne Widerruf ist, wie die Liebe.“
Gern fallen sie sich gegenseitig ins Wort, die Schauspielerinnen Marlen Diekhoff, Christine Groß, Silvia Rieger, Catrin Striebeck und der Sprachjongleur Marc Hosemann. Meist stellen Spieler sich bei Pollesch selbst dar, Figuren im üblichen Sinn fallen zugunsten der Authentizität weg, allerdings muss der einzige Mann in diesem Kunst-Fall dann doch eine Rolle übernehmen, die des Diven-Zusammenscheißers. Auch im jüngsten Werk geht es wieder um das Pollesch’sche Kernthema: Liebe in Zeiten des Kapitalismus. Vielleicht ist er „der klügste und für viele sogar ganz einfach der beste deutschsprachige Regisseur der Gegenwart“ (Simone Meier, Tagesanzeiger), andere vermuten eher, er onaniere Sätze. Weil aber das Sein das Bewusstsein bestimmt und sich auch eine Kritik diesem Gesetz weder entziehen kann noch will, reicht die bruchstückhafte Sammlung von Zitaten als adäquate Resonanz auf einen Abend, der tatsächlich aus Bestandteilen für die Bühne besteht, also aus Text, Auf- und Abgängen, einem Bühnenbild und konservierter Musik.
„Ich bin geübt als Frau im Fremdsein, also Fremdverwirklichung… wenn kein Selbst zum Verwirklichen da ist.“ (…) „Alles locker im Schritt?“ (…) „Oh, ich stehe im falschen Bühnenbild.“ (…) „Ich bin immer schön.“ (…) „… Attraktivität ablegen, wie einen Arbeitskittel …“ (…) „Ich bin überfordert mit meiner Attraktivität, ich würde lieber singen können!“
Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Thomas Aurin