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Primadonna trifft Showgirl

„Ariadne auf Naxos“, Hamburgische Staatsoper
Ariadne auf Naxos

Die Primadonna (Anne Schwanewilms) zeigt wenig Verständnis für Zerbinettas (Hayoung Lee) Show-Allüren.

Die Idee, ein Stück im Stück zu zeigen, ist nicht neu. Mit seiner 1912 uraufgeführten Oper „Ariadne auf Naxos“ brachten Richard Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal jedoch gleich zwei Stücke im Stück unter: eine Komödie und eine Tragödie. Die Rahmenhandlung – ebenso simpel wie absurd: Im Haus eines Neureichen soll die bedeutungsschwere Oper „Ariadne auf Naxos“ aufgeführt werden und gleich im Anschluss ein vergnügliches Tanzstück. Der Komponist (stimmlich überzeugend, aber leider schwer verständlich: Cristina Damian) ist wenig angetan von dieser Konstellation – doch es kommt noch schlimmer. Kurz vor Aufführungsbeginn entschließt sich der Hausherr, dass beide Stücke in geraffter Fassung gleichzeitig aufgeführt werden sollen, damit die Gäste pünktlich um neun Uhr das Feuerwerk bestaunen können.

Die Kunst, Strauss’ Einakter nebst Vorspiel angemessen zu inszenieren, besteht in einer diffizilen Gratwanderung zwischen Ernst und Komik, die Regisseur Christian Stückl an der Hamburgischen Staatsoper sehr schön ausbalanciert – auch wenn er dabei zuweilen reichlich tief in die Klischee-Kiste greift.

Auf der Bühne rote Stuhlreihen, auf denen nach der Pause auch einige echte Zuschauer platznehmen. In der Mitte eine kahle Holzbühne (Ausstattung: Stefan Hageneier). Die muss sich eine Tanzgruppe im Look drittklassiger Unterhaltungskünstler, angeführt von der quirligen Zerbinetta (Hayoung Lee) mit der kühlen Primadonna (Anne Schwanewilms) teilen – das sollte für Spannungen sorgen. Tut es aber nur bedingt, da Schwanewilms zwar einen schönen – wenngleich von der Musik oft überdeckten – Sopran an den Tag legt, darüber hinaus aber sehr statisch agiert.

Zerbinetta hingegen feiert das Leben. Die koreanische Sopranistin Lee geht in ihrer Rolle geradezu auf und hat auch stimmlich einiges zu bieten. Die ebenso gefürchtete wie geliebte Koloraturarie „Großmächtige Prinzessin“ gilt unter Sängerinnen als echte Zitterpartie, kommt hier aber so flockig über die Rampe, dass begeisterter Zwischenapplaus aufflammt. Das kleine aber feine Glück überkommt einen, wenn der 74-jährige Franz Grundheber in der Rolle des Musiklehrers seine Stimme erhebt: ein Musterbeispiel an Klanggestaltung und Diktion.

Als Dirigentin Simone Young nach der Pause den Orchestergraben betritt, schallen ihr dennoch einige wütende Buh- und „Aufhören“-Rufe entgegen. Die Stimmung gegenüber der Opern-Chefin ist generell angespannt. Auch wenn die Finessen der Partitur zuweilen von einem orchestralen Schleier überschattet werden, ist der Protest übertrieben und bleibt beim Schlussapplaus denn auch aus. Einhelligen Beifall gab es auch für den hervorragenden Tenor Johan Botha, der als stimmgewaltiger Bacchus am Ende mit seinem Schiff die Bühne entert und zusammen mit Schwanewilms’ dunkelseidigem Sopran ein berückendes Duett formt.

Sicher hätte man auch andere, provokantere und zeitgemäßere Lesarten für Strauss’ und Hofmannsthals Kritik am Mäzenatentum und an der Käuflichkeit der Kunst finden können. Doch nach Pfitzners „Palestrina“ zeigt Stückl, Intendant des Münchner Volkstheaters, auch mit seiner zweiten Inszenierung an der Hamburgischen Staatsoper, dass er Themen und Figuren mit sicherem Pinselstrich zu zeichnen versteht.

Text: Sören Ingwersen
Foto: Monika Rittershaus

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