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Neues vom Dauerzustand

Deutsches Schauspielhaus

Neues vom Dauerzustand

In romantischer Westernidylle: Sophie Rois, Christine Groß und Leonie Hahn (v.l.)

Wenn René Pollesch sich am Ende des kurzen Uraufführungsabends seines Stückes „Neues vom Dauerzustand“ mit dem Ensemble verbeugt – weil er das eigene Werk auch selber inszeniert hat – fällt ihm die Brille von der Nase. Die Folge: Er sieht nichts mehr! Er klaubt sie vom Boden, setzt sie wieder auf und verbeugt sich nur noch halb und steif. Die Folge: Lacher im Publikum!

Ähnlich verläuft die Uraufführung: Wirr, laut, undurchschaubar, überraschend, grotesk, ungewohnt, intellektuell anspruchsvoll, gleichermaßen anstrengend in Bezug auf die Rezeption wie auf den Versuch, eine Geschichte zu erkennen, zuweilen unerwartet komisch, heftig komödiantisch und das Ganze ohne beschreibbares Ende. Kommentar eines Zuschauers: „Toll! Und jetzt noch einmal von vorn…“

Eine Handlung ist nicht zu erzählen, denn im traditionellen Sinne gibt es keine. Zu berichten ist aber zuvörderst von der uns in Hamburg seit ihrer Zusammenarbeit mit Pollesch am Schauspielhaus bekannten Schauspielerin Sophie Rois, die am Tag der Premiere von der Zeitschrift „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt wurde.

Was geschah noch an diesem Abend an der Kirchenallee?

Zum ersten Mal konnten Hamburgs Theatergänger das eigens für die Umbauzeit konstruierte „Spielfeld“ begutachten, phantasievoll geschmückt durch Bert Neumanns Bühnenbild, in dem sich der ehemalige Fassbinder-Star („Bremer Freiheit“ etc.) Margit Carstensen tapfer durch schier endlose Monologe kämpfte, die hübsche, aber nicht sehr modulationsfähige Leonie Hahn sich mühte, neben der überbordend temperamentvollen und genialisch ausdrucksstarken Sophie Rois zu bestehen, deren Partnerin, Christine Groß, jener in anstrengenden Dialogen zum zentralen Thema Liebe ebenbürtig zur Seite stand. Darüber hinaus hat Groß einen Chor junger Leute mit bewundernswerter Präzision und stärkster Unisono-Disziplin einstudiert.

Die Reihe der von der Interimsleitung des Deutschen Schauspielhauses in Auftrag gegebenen Uraufführungen hat René Pollesch mit seiner Truppe ebenso spannend wie rätselhaft eröffnet. Sein Premierenpublikum reagierte darauf mit begeistertem Applaus, der sich bis zu Bravo-Rufen steigerte. Nach 60 Minuten war der Spaß vorüber, und es blieb genügend Zeit, nachzudenken über den Dauerzustand unserer Welt, beschrieben in Texten von Adorno bis Pollesch.

Text: Hans-Peter Kurr
Foto: Lea Fischer

Weitere Vorstellungen auf dem „Spielfeld“ im Großen Haus: 15. und 23.9., 8., 20. und 25.10 sowie 6.11.
jeweils um 20 Uhr

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