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Zuhause

Das Königreich
Samantha Hanses horcht auf der Inkarnation eines Sofas ihre Befindlichkeiten aus

Samantha Hanses horcht auf der Inkarnation eines Sofas ihre Befindlichkeiten aus

Text: Oliver Törner | Foto: Einwirkzeit

Ein sehr belustigender Abend. Mit 60 Zuschauern wie in einem überdimensionalen Wohnzimmer. „Ein Theaterabend über uns und unsere Einrichtungsversuche“ steht im Untertitel der Hamburger Erstaufführung von Ingrid Lausunds Texten durch das Theater Einwirkzeit im Altonaer „Königreich“, einem eigenwilligen Einrichtungsladen.
Auf den Ausstellungsmöbeln sitzt man dicht an dicht. Ein Sammelsurium von häufig schon in die Jahre gekommenem Interieur. Sofas, ein langer Tisch, Stühle, Lampen, sogar ein Auto. Das perfekte Bühnenbild zum Stück: echtes Leben, das Leben imitiert, das echtes Leben initiieren möchte. Sehnsuchtsvolle Akkordeonklänge (Natalie Böttcher) schmusen einen an, locken auf emotionales Glatteis. Und schon ist man mittendrin in sechs Geschichten um das Gestalten des eigenen Lebens in seinem Zuhause. Samantha Hanses und Martin Maecker führen uns durch von sperrigen Emotionen fast unzugänglich gewordene Gebäude der Selbstimaginationen. Wer bin ich, wenn ich die von außen an mich herangetragenen Illusionsangebote ausschlage? Was bleibt von mir?
Die beiden Akteure ziehen mit Lausunds umwerfend guten Texten die allermeisten der anwesenden 60 Mitbewohner augenblicklich in ihren Bann. Lachende Selbsterkenntnis über die Annäherungsbeichte einer feschen Bloggerin gegenüber ihrer türkischen Putzfrau; Emotionswirrwarr im interkulturellen Dialogversuch. Wiederkennen im vom Marktforschern sezierten, köstlich grotesken Ikea-Addict, der Revolutionär sein möchte und doch nur absoluter Durchschnittskonsument ist.
Heike Skiba lenkt ihre Inszenierung sehr geschickt und unauffällig von den sonnigen Stockwerken des Textgebäudes, durch das fröhliches Lachen schallt, Richtung Keller – auch wenn sie ihre Darsteller erstmal auf Leitern schickt. Wie unendlich mühsam, gar schweißtreibend wird es für Samantha Hanses dort, das passende Gefühl zur perfekt gestylten Sofaumgebung zu finden. Wie von einer Zwiebel pellt sie sich Emotionslage nach Emotionslage vom Gemüt und landet im Nichts – was bleibt ist eine höchst diffuse Sehnsucht nach Heimat. So wie bei Martin Maeckers beklemmendem Monolog über einen vom Schicksal Geprügelten ebenfalls Illusionen die Sehnsucht beherrschen.
Zwar hätte hin und wieder eine Inszenierungsidee weniger illustrativ ausfallen dürfen, so wie das Akkordeon gern weniger bebildernde Begleitmusik und mehr Dialogpartner hätte spielen dürfen – so gelangt man doch zielsicher zu den Fundamenten der Zuhause-Entwürfe. Hier wabern irrwitzige Selbstmordgedanken eines Bankrotteurs ebenso wie Dekofix-überklebte, badewohlig überschäumte Katastrophenszenarien, die unseren häuslichen Idyllen (unseren kleinen Königreichen) den vorbestimmten Weg in den Abgrund deuten. Die Grundlagen unserer Egokonstruktionen sind längst morsch. Verfault. Und im Morast der Illusionen uneinsehbar versunken. Kein Trost nirgends. Ein todtrauriger Abend. – Hingehen!

Weitere Aufführungen: Das Königreich, Friedensallee 26 (Hinterhof). 31.10., 1.+2.11.14, jeweils 20 Uhr. Karten: 040-40 13 80 25 oder mail@einwirkzeit.de

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