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Warten auf Godot

Deutsches Theater Berlin Im Thalia Theater
Warten auf Godot

Wolfram Koch und Samuel Finzi auf dem Plakat zu „Warten auf Godot“

Text & Foto: Adrian Anton

„Warten auf Godot“ ist das wohl bekannteste Stück von Samuel Beckett und wird oft als Aushängeschild für das sogenannte „absurde Theater“ herangezogen. Die Handlung ist schnell erzählt: Zwei Männer warten auf Godot. Seit wann? Sie wissen es nicht, denn die Zeit verschwimmt und ihre Erinnerung ebenso. Wie lange sie noch auf Godot warten? Sie wissen es nicht. Aber schnell wird klar, dass sie weiter auf Godot warten werden.

Eigentlich wollte der bulgarische Regisseur Dimiter Gotscheff den nicht sehr anschmiegsamen Stoff auf die Bühne bringen, er verstarb aber im Oktober 2013. Seine Schauspieler gaben den Anstoß, dass seine Arbeit weitergeführt wurde – „als liebevolle Hommage“, wie es im Programmheft heißt. Regisseur Ivan Panteleev, der auch Autor und Regisseur des Dokumentarfilms über Gotscheff, „Homo ludens“ (2008), ist und mehrfach mit ihm zusammengearbeitet hat, stellte sich dieser Herausforderung und inszenierte „Warten auf Godot“ am Deutschen Theater Berlin in Kooperation mit den Ruhrfestspielen. Die Inszenierung wurde nicht nur von Kritikern gefeiert, sie wurde auch zum Theatertreffen 2015 eingeladen. Die Erwartungshaltung an dieses Gastspiel des Deutschen Theaters am Thalia Theater war also entsprechend hoch und die Vorstellung so gut wie ausverkauft.

Die zwei Protagonisten, der eine ohne Hemd unter dem Sakko, der andere ohne Schuhe und Socken und mit löchrigem Pulli, wirken verloren, unfertig oder vielleicht schon etwas heruntergekommen, mitgenommen vom Warten und der Ungewissheit. Für diese zwischen Verzweiflung und Galgenhumor schwingende Darstellung wurden die beiden überzeugenden Hauptdarsteller Samuel Finzi und Wolfram Koch mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring 2014 ausgezeichnet. Sie geben sich gegenseitig nicht nur Stichwörter, sondern auch immer wieder Halt. Es wird deutlich: Sie können die Situation nicht miteinander lösen, sie können sie aber auch nicht ohne einander aushalten. Sie hängen gemeinsam fest in dieser Endlosschleife des Wartens auf Godot, der nie auftaucht, aber immer erwartet wird. Unterbrochen wird diese zweisame Isolation nur zweimal, als aus dem trichterförmigen Krater in der Mitte der kargen und in starker Schieflage abfallenden Bühne (Bühne und Kostüme: Mark Lammert) Pozzo und Lucky auftauchen, gespielt von Andreas Döhler und Christian Grashof. Zwei weitere Figuren, die nicht mit- und nicht ohne einander existieren können, die sich gegenseitig quälen und aufeinander angewiesen sind.

Die Zeit wird relativ, die Erinnerungen verwischen, die Gespräche wiederholen sich, die Worte verlieren ihre Bedeutungen oder erhalten Neue, unverständliche Zusammenhänge. Die Figuren sind zum Warten verdammt und leiden an dieser zermürbenden Situation, genau wie das Publikum, das weit über zwei Stunden lang mitleidet – ohne Erlösung oder Katharsis – denn alles endet wie es beginnt: wartend auf Godot. Im Stück heißt es einmal: „Je länger es dauert, desto schlechter wirdʼs“. Und auch wenn ein paar Zuschauer es nicht bis zum Ende ausgehalten haben – auf diese Inszenierung trifft diese Aussage nicht zu, wie auch der Publikumsapplaus zeigt. Da passt ein anderes Zitat aus dem Stück zwar auch nicht wirklich, aber doch besser: „Charmanter Abend – unvergesslich!“

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