Text: Christian Hanke / Foto: Oliver Fantitsch
Anne Frank in einem Café in Paris. Nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie scherzt mit Freunden, vertilgt anschließend Unmengen Essbares in Anwesenheit des Verlegers Peter Schiff, der Interesse an ihrem Tagebuch zeigt. Das kennen wir als bewegendes Dokument einer jüdischen Heranwachsenden, die sich mit ihrer Familie und anderen Menschen jüdischer Herkunft in einem Amsterdamer Hinterhaus vor dem Zugriff der Nazis versteckt gehalten hat. Alle diese Versteckten werden im August 1944 entdeckt und überleben das Dritte Reich mit Ausnahme von Annes Vater nicht.
In ihrem 2014 uraufgeführten Stück „Anne“, das jetzt am Ernst Deutsch Theater seine Deutsche Erstaufführung erlebte, erzählen die niederländischen Autoren Leon de Winter und Jessica Durlacher noch einmal die beklemmende Geschichte der Familien Frank und van Pels sowie des Zahnarztes Fritz Pfeffer, die sich fast zwei Jahre auf engstem Raum versteckt hielten. Doch aufgrund des Studiums einer kürzlich erschienenen Anne-Frank-Gesamtausgabe setzen sie neue Schwerpunkte: Sie lassen Anne Frank träumen, vom Aufenthalt in ihrer Traumstadt Paris, von der Möglichkeit einer Veröffentlichung ihres Tagebuchs, das sie ganz bewusst für die Öffentlichkeit schrieb: Aufgrund einer Radiomitteilung, in der dazu aufgefordert wurde, Erlebnisse während des Krieges für die Nachwelt festzuhalten.
Im Mittelpunkt von „Anne“ stehen die Konflikte und Reibungen, die sich aus dem Zusammenleben von acht Personen auf engstem Raum ergaben. Anne, ganz aufmüpfiger Teenager, hat ständig Knatsch mit der ermahnenden Mutter und manchmal auch mit dem geliebten Vater, zofft sich mit dem Arzt Pfeffer, mit dem sie sich einen Raum teilen muss, und wehrt sich mit deutlichen Worten gegen die egozentrische Frau van Pels. All das spielt sich dieses Mal im wenig akzentuierten Bühnenbild von Peter Schmidt ab, das ebenso wie die Inszenierung kaum beklemmende oder anderweitig mitreissende Atmosphäre erzeugt. Die guten Schauspielerinnen und Schauspieler spielen die Geschichte ordentlich hintereinander weg. Kristin Suckow spielt stark, bewegt sich in der Titelrolle aber mitunter hart am Rande der Übertreibung.
Aufführungen bis 29.9., Ernst Deutsch Theater