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Abraham

Hamburger Kammerspiele
Abraham

Operettenkönig der 1930er Jahre: Paul Abraham (Jörg Schüttauf) mit Ehefrau (Susanne Bard)

Text: Sören Ingwersen

Sicher ist es ehrenwert, einem fast vergessenen jüdischen Operettenkomponisten, der vor den Nazis fliehen musste, ein Theaterstück zu widmen. Im Gedenken des 1960 in Hamburg verstorbenen Paul Abraham wurde Dirk Heidickes Tragikomödie „Abraham“ an den Kammerspielen Magdeburg uraufgeführt. Nun ist die Inszenierung auch an den Hamburger Kammerspielen zu sehen. Allerdings ist das Stück weder tragisch noch komisch, sondern nur erschreckend einfallslos. Entsprechend hilflos jongliert Regisseur Klaus Noack mit einer Sammlung aus Liedhäppchen und Spielszenen, die uns in 100 Minuten kaum mehr erzählen, als wir bereits in der ersten Viertelstunde erfahren: Ein geistig umnachteter Künstler vergegenwärtigt sich seine vergangenen und erträumten Erfolge, während er von seiner Frau und Pflegerin routinemäßig umsorgt wird. Umgeben von einem statischen Bühnenbild, das aus mehreren Stellwänden besteht, tun einem die beiden Darsteller Jörg Schüttauf und Susanne Bard fast leid bei dem Versuch zu retten, was nicht zu retten ist.

Dabei war die Biografie des Schöpfers von Operettenerfolgen wie „Viktoria und ihr Husar“ und „Blume von Hawaii“ wohl keineswegs so ereignislos wie das Bühnenspiel, in dem Momentaufnahmen aus Abrahams Leben szenisch angerissen werden, ohne eine stringente Entwicklung erkennen zu lassen. Wie fortschrittlich Abrahams Unterhaltungsmusik damals gewesen ist und wie gewitzt sie auch heute noch sein kann, hätte das Stück gerne thematisieren dürfen, um zumindest verbal klarzustellen, was die recht schlichten Gesangseinlagen mit Jens-Uwe Günther am Klavier an diesem Abend musikalisch nicht bieten. Drei Mal tritt Schüttauf zudem an die Rampe, um ein fiktives Orchester zu dirigieren – und der Regie einen Vorwand zu geben, Originalaufnahmen aus den 30er Jahren einzuspielen.

Im Programmheft liest man, Abraham war spielsüchtig, Mitgründer einer Bank, in krumme Geschäfte verwickelt und kam dafür sogar ins Kittchen. Sein Chauffeur stahl 200 unveröffentlichte Kompositionen, die später unter den Namen „arischer“ Komponisten veröffentlicht wurden. Wie hat Abraham reagiert? Abraham, der Gerüchte streute, um sich interessant zu machen, der ein Exzentriker war und ein ausschweifendes Leben führte. Dramatisches Potenzial, dass ungenutzt verpufft. Am Ende fragt man sich, was nun eigentlich das Besondere an diesem Künstler war. Das Programmheft sagt dazu mehr als das Stück.

Aufführungen bis zum 28. November, Hamburger Kammerspiele

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