Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Matthias Horn
Ein einsamer, dunkler Parkplatz. Aus dem einzigen Auto klettern nach und nach neun Clowns – und verbreiten eine bedrohliche Atmosphäre! Moderne Trolle? Oder Visionen eines Drogentrips? Das dürfen sich die Zuschauer selbst zusammen reimen, wie so Einiges in „Peer Gynt“. Simon Stones heutige Deutung des 140 Jahre alten Dramas wurde am Schauspielhaus begeistert aufgenommen.
Für seine von Werktreue unbelastete Version holt sich der 31-jährige australische Regisseur den Segen von ganz oben: Mit dem Ibsen-typischen Backenbart verwandelt sich Schauspieler Josef Ostendorf in den norwegischen Autor, der aus der obersten Loge und somit aus dem Jenseits die frische Hamburger Fassung offiziell abnickt.
Dabei dürfte er sein eigenes Werk kaum wiedererkannt haben: Aus Peer Gynt werden drei Frauen, die Mann und Kind hinter sich lassen, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Angela Winkler, Maria Schrader und Gala Othero Winter verkörpern drei Generationen mit unterschiedlichen Flucht-Modellen. Sie fliehen vor Männern, die beim Sex außer Atem geraten, vor Babygeschrei und erstickender Engstirnigkeit. Ibsens Text musste dabei einer heutigen Sprache weichen, denn Simon Stone schreibt für jede seiner Inszenierungen neue Dialoge und baut aktuelle Bezüge sowie witzige Anspielungen auf das Original ein: „Meinst du, ich habe ‚Peer Gynt‘ nicht gelesen?“ Fährt ein Vater seine rebellische Tochter an. Und beim unromantischen Blick in den Sternenhimmel gerät Planet Mars ins Visier, „dort wohnt Matt Damon…“ (der gerade im Film „Der Marsianer“ Aufsehen erregt). Die weiblichen Befreiungsschläge von (Groß)Mutter, Tochter und Enkelin sind drastisch, mitunter überspitzt und surreal. Total realistisch dagegen die entbehrlichen Gesangseinlagen: Der Ohrwurm „Video Games“ wird genauso frei vom Rhythmus der Musik gesungen wie in einer Live-Karaoke-Show.
Aufführungen 2., 13., 30.4. um 20 Uhr, 21. u. 26.5. um 19:30 Uhr, Deutsches Schauspielhaus