Text: Sören Ingwersen | Foto: G2 Baraniak
Er riecht ein Verbrechen drei Meilen gegen den Wind und kann anhand eines Staubkorns einen ganzen Fall aufklären. Am Altonaer Theater wirkt Meisterdetektiv Sherlock Holmes allerdings weniger souverän, als man es gewohnt ist. In seiner herrlich überdrehten Komödie „Baskerville“ sehr frei nach Arthur Conan Doyles Krimi-Klassiker „Der Hund von Baskerville“ entfacht der amerikanische Autor Ken Ludwig ein wahres Gag-Feuerwerk, das unter der Regie von Eva Hosemann hervorragend zündet. Der dramaturgische Trick des Stücks wird schon in Hosemanns Bühnenbild deutlich: Am Rand der Spielfläche mit Sofa und Sessel befinden sich Schminktische, Kleiderständer und ein Requisitenfundus. Hier bedienen die Schauspieler sich bei ihren zahlreichen Verwandlungen, wenn sie das Stück im Stück aufführen und mit der unbeholfenen Inbrunst einer Laientruppe über Pannen und Ausrutscher hinwegimprovisieren.
Da bläst die Nebelmaschine nicht nur den unheimlichen Dunst der Moore von Devonshire über die Bühne, sondern hüllt auch einen blasiert-komischen Gerd Lukas Storzer in eine Rauchwolke, wenn er als Pfeife paffender Detektiv seinen Denkzellen heiß laufen lässt. An seiner Seite gibt Herbert Schöberl einen Dr. Watson, dessen steifer Ernst im herrlichen Kontrast steht zum allgemeinen Bühnenchaos, das die Schauspieler händeringend zu bändigen versuchen. Holmes und Watson wurden nach Devonshire bestellt, um das Geheimnis einer unheimlichen Bestie zu lösen, die dort ihr Unwesen treiben und schon mehrere Angehörige der Familie Baskerville auf dem Gewissen haben soll.
Die fast 40 Figuren, mit denen die beiden Spürnasen zu tun haben, werden im rasenden Wechsel von nur drei Darstellern gespielt. Mats Kampen überzeugt als polternder Amerikaner Henry Baskerville – der Erbe des ermordeten Charles Baskerville –, den nichts und niemand schrecken kann. Und auch als Inspektor Lestrade mit Gaunervisage trumpft er großspurig auf. Angestrengt aus seinen schwarzen Augenringen blinzelnd bittet Achmed Ole Bielefeld als Henrys Freund Dr. Mortimer das Detektivduo um Hilfe, gibt aber auch als spanischer Hotelier und zwielichtiger Schmetterlingsfänger eine höchst komische Figur ab. Als einzige Frau in diesem vor Spiellust fast berstenden Ensemble demonstriert auch Melissa Holley als heiratswillige Miss Stapleton, vorlaute Gassengöre oder dämonische Gattin des Butlers ihre große Wandlungsfähigkeit. Das Schöne an diesem Stück ist: Es macht sich weniger über Doyles Figuren lustig als über die Darsteller, die mit ihren Rollen zu kämpfen haben und in ihrem Spiel gnadenlos übertreiben. So kommen nicht nur Liebhaber präzise inszenierter Komik, sondern auch Sherlock-Holmes-Fans voll auf ihre Kosten.
Vorstellungen bis 14. Dezember, Altonaer Theater