Darf man eine besonders schwere Person von Bord werfen, wenn der Heißluftballon, indem man sitzt, sinkt? Diese und viele weitere ethische Fragen werden in der theatralen Versammlung „Der Hamburger Codex“ der Regisseurin Julia Hart aufgeworfen. In nur 60 Minuten stellen die Expertenkommission, bestehend aus den sechs Schauspielern, und das Publikum als Abgeordnete einen Hamburger Verhaltenskodex auf. Wie in einem Parlament sitzen die Zuschauer dabei U-förmig um das Geschehen herum und lauschen den Moderatoren.
Es entstehen immer wieder neue Diskussionen, neue Regeln werden aufgestellt und ausprobiert. Zum Beispiel stoßen Friedrich (Levi Mallioras) und Manfred (Johannes Nehlsen) auf die Frage, ob man eine Mandarine klauen darf, wenn man hungrig ist. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werden verschiedene Lösungsmöglichkeiten im „Live-Labor“ vorgestellt, und das Parlament stimmt über die beste Lösung ab. Die Regeln, die so im Laufe des Stückes aufgestellt werden, werden gleichzeitig an einer Wand hinter den Zuschauern festgehalten.
Doch kurz nachdem der Kodex fertiggestellt wurde, gehen schlagartig alle Lichter aus und die Mitglieder der Expertenkommission treten als Untote auf die Bühne, während der sorgfältig erarbeitete Kodex von der Wand gerissen wird.
Doch wozu das Ganze? Das Stück lädt zum Nachdenken ein und macht mit seiner sorgfältig durchdachten Handlung aufmerksam auf die verschiedensten Dilemmata, die im Zusammenleben mit anderen auftreten können.
Alle Fragen werden sehr nahe am Leben des Publikums gehalten und so realitätsnah dargestellt, dass selbst Kinder mitdenken können. Durch die an eine Talkshow erinnernde Inszenierung verliert das Stück, trotz tiefgründiger Fragen, nicht an Leichtigkeit und bleibt amüsant, weshalb das Stück bereits für Kinder ab zehn Jahren zu empfehlen ist.
Dalizia Demke
Ida Ehre Schule, 12. Klasse