Text: Sören Ingwersen | Foto: Dr. Joachim Flügel
Es ist ein finsterer Geselle, dem der totkranke Jacques Offenbach die Vertonungsrechte des Opernlibrettos „Hoffmanns Erzählungen“ abkaufen will. Doch Hector Salomon will kein Geld, er will Offenbachs Seele. Pünktlich zum 200. Geburtstag des Operettenkönigs treibt die Hamburger Kammeroper mit der Uraufführung von Mathias Husmanns Oper „Offenbachs Traum“ ein teuflisches Spiel: Offenbach schließt einen faustischen Pakt, um auf seine alten Tage die langersehnte große Oper zu komponieren – und wird damit selbst zu ihrer Hauptfigur.
Mit der Partie des Offenbach und dessen Alter Ego Hoffmann hat Theaterintendant Marius Adam vokale Gewichte zu stemmen: Die ersten fünfundzwanzig Minuten bestreitet der Bariton im Alleingang, bevor die Begegnung mit dem wandelnden Skelett Hector Salomon ihm den dämonisch guten Bass von Titus Witt an die Seite stellt. Noch in drei weiteren Rollen wird Witt zum Gegenspieler Offenbachs und entzieht ihm – etwa als verrückter Doktor Mirakel mit Bluttransfusionsschlauch – seine Lebenskräfte, um sie den weiblichen Figuren der Oper zuzuführen: Als Puppe Olympia mit riesigem Aufziehschlüssel im Rücken, als schwindsüchtige Sängerin Antonia mit Stricknadelfrisur und Wollfransenkleid sowie als Giulietta im Ballonrock gibt Luminita Andrei auch ihrer Stimme Grazie und Kontur. In der Rolle der Muse Nilklas strahlt Iva Krušić mit ihrem schneeweißen Wuschelkopf ebenso wie mit ihrem goldenen Mezzosopran, womit das Ensemble der vier Sänger am Premierenabend rundum glücklich macht.
Leichte Intonationsschwächen gibt es im Orchestergraben, doch die verzeiht man gern angesichts der großen Spielfreude und den rhythmischen Feinheiten, zu denen Ettore Prandi seine sieben Musiker antreibt. Die dankbare Steilvorlage liefert Husmanns vielfarbige Partitur mit vier Streichern, Klavier, Schlagwerk und weiteren Tasteninstrumenten, die einerseits beherzt die Musik Offenbachs aufgreift, andererseits einen eigenen kantablen Stil entwickelt, der alles Spröde meidet und von einer transparenten, perkussiv reizvollen Orchestrierung profitiert. Ein Augenschmaus sind die Kostüme von Ausstatterin Lisa Überbacher, die den karikierend überzeichnenden Regiestil von Andreas Franz lustvoll unterstreichen. Wären nur alle Träume so schaurig-schön und musikalisch erhebend wie der von Offenbach!
Vorstellungen bis 20. Juni im Allee Theater