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Mary Said What She Said

Thalia Theater
Mary Said What She Said

Historie in stilisierten Gesten: Isabelle Huppert als Mary Stewart

Text: Dagmar Ellen Fischer / Foto: Lucie Jansch

Eine französische Schauspielerin, ein US-amerikanischer Regisseur und ein englisch sprechender Hamburger Kultursenator eröffneten am vergangenen Wochenende „Thalia International“ – das neue Gastspiel-Programm im Thalia Theater. Dies sei ein gutes Beispiel dafür, dass es so etwas wie ausschließlich deutsche, französische oder amerikanische Kultur gar nicht gebe, so Carsten Brosda in seiner Begrüßungsrede. Wenig später konnte sich das Publikum von der „ability to be united in diversity“ überzeugen: Weltstar Isabelle Huppert beeindruckte in Robert Wilsons Inszenierung „Mary Said What She Said“ – einer theatralen Annäherung an Maria Stuart.

Während Madame Huppert zum ersten Mal im Thalia Theater auftritt, fühlt es sich für Mister Wilson nach eigener Aussage an, wie nach Hause zurückzukehren; in den 1990er Jahren begann hier mit „The Black Rider“ und Folge-Inszenierungen wie „Alice“ und „POEtry“ seine viel beachtete Erfolgsserie.

Verglichen mit damaligen Abenden wirkt Marys Solo geradezu minimalistisch: der für Wilson typische Einsatz von Licht, wenige Requisiten, Musik von Ludovico Einaudi und Darryl Pinckneys Text, der sich auf historische Quellen stützt. Isabelle Huppert spricht ihn in französisch, deutsche und englische Übertitel liefern Übersetzungen.

Und so hat das (des Französischen nicht mächtige) Publikum über rund 90 Minuten hinweg die Qual der Wahl: entweder die rasant wechselnden Textpassagen zu lesen oder Isabelle Huppert zuzusehen, wie sie sich als Maria Stuart an wichtige Stationen ihres wechselvollen Lebens erinnert. Es ist die Rückschau einer Königin, die 18 Jahre in Gefängnissen verbracht hat und 45-jährig auf dem Schafott stirbt.

Der Konflikt zwischen ihr und Elisabeth I. ist nicht zu lösen: Beide erheben Anspruch auf den englischen Thron, und die Gegensätze zwischen einer gläubigen Katholikin und der Protestantin scheinen unvereinbar. Mary Stewart, drei Mal verheiratet und Mutter eines Sohnes, nennt Elisabeth „die gepuderte Jungfrau, die keine Spur hinterlässt“. Doch die gepuderte Jungfrau unterschreibt schließlich die Hinrichtungsurkunde, nachdem sie es nicht geschafft hatte, ihre Nichte Maria ermorden zu lassen.

Isabelle Huppert ist herrisch und trotzig, zerbrechlich und zweifelnd – je nach Erinnerungsphase. Sie schreit tonlos, lacht hysterisch, um im nächsten Moment in eine stille Starre zu verfallen. Mit Robert Wilsons strenger, abstrakter Herangehensweise kommt sie bestens zurecht, sie fühle sich beschützt in einem klar definierten Rahmen, innerhalb dessen sie viel Freiheit habe, erläutert die Französin. Und der Regisseur schätzt es sehr, dass seine Solistin ihn nie mit Fragen nach der Interpretation ihrer Rolle behelligt: „Art is about life, not about interpretation!“

Das Hamburger Publikum feierte die beiden Weltstars mit begeistertem Applaus. Dem sensationellen Auftakt werden im Rahmen des neuen Programms „Thalia International“ noch Produktionen in chinesischer, russischer und schwedischer Sprache folgen.

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