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Ein Spiegel seelischer Befindlichkeit

„Winterreise“, Opernloft
Winterreise

Weißer Engel auf Bahnfahrt: Theresa Derksen in "Winterreise" (Opernloft, 27.1.)

Franz Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ ist eigentlich eine Reise ins Innere. Gefühle wie Abschiedsschmerz, Sehnsucht, Liebe und Verloren-Sein werden hier in lyrisch-anmutige Musik verpackt. Regisseurin Inken Rahardt hat dieses Paradestück romantischer Innigkeit am Opernloft szenisch umgesetzt – als Bahnreise. Eine etwas äußerliche Sichtweise, könnte man meinen, aber nur solange man das Stück nicht gesehen hat.

Während die Zuschauer im Saal in Viererreihen einander gegenübersitzen, gleiten auf den „Fenstern“ links und rechts Hamburger Stadtansichten vorüber. Später werden diese Projektionen von Claudia Weinhart fragmentarischer, zeigen verschwommene Detailaufnahmen und sich überlagernde Motive: Impressionen vom Hamburger Dom, Friedhofsengel, Wasserflächen.

Wer sich hier durch die Reihen der (Fahr-)Gäste zwängt – und sich manch‘ einem auch in ernster Ansprache zuwendet – ist erfreulicherweise nicht der Kartenkontrolleur, sondern die Sängerin Theresa Derksen, deren Sopran anfangs noch etwas schwächelt, im Laufe des Abends aber zunehmend an Leuchtkraft gewinnt. Thomas Briesemeister, der sich als ebenso lyrischer wie standfester Bariton behauptet, ist der zweite Sänger im Bunde, der in „Erstarrung“ in der anonymen Menge vergeblich nach seiner Geliebten Ausschau hält und auch sonst große Gefühle mit angenehmem Wohlklang würzt.

Hinter dem Haltestellenschild sitzt der begleitende Pianist Markus Bruker, zu dem sich die Sänger am Ende flüchten und in inniger Umarmung zu einer lebenden Skulptur erstarren, während „Der Leiermann“ in monotoner Hoffnungslosigkeit verklingt. Diese Reise war eben doch eine ins Innere. Und die Bilder, die man durch die Fenster sah, waren – genau wie die Bilder in Wilhelm Müllers Gedichtzyklus, den Schubert hier vertont hat – ein Spiegel seelischer Befindlichkeit.

Text: Sören Ingwersen
Foto: Silke Heyer

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