„Berlin 1938, 9. November …“ schreit der junge Tänzer ins Publikum. Was dann folgt, heißt „Pogromnacht/Requiem“ und ist die erste eigene choreografische Arbeit des Bundesjugendballetts. Drei der acht Tänzer dieser 2011 gegründeten Junior-Company haben über jene historische Nacht im Nationalsozialismus nachgedacht und – unter den Augen von Ballettmeister Kevin Haigen – eine berührende kleine Choreografie auf die insgesamt 16 Beine ihrer jungen Truppe gestellt. Als eines von vier Werken gehörte es zum ersten abendfüllenden Programm „Im Aufschwung“, mit dem sich das Bundesjugendballett im Ernst Deutsch Theater erstmals dem Publikum vorstellte.
Die anderen drei Stücke des Abends stammen von erfahrenen Choreografen: klassischer Tanz aus dem 19. Jahrhundert von August Bournonville, Experimentell-Biografisches von der Pädagogin Stacey Denham und Tanztheater von Natalia Horecna, ehemalige Tänzerin des Hamburg Ballett. Die jungen Tänzer – alle Jahrgang 1991 und 1992 – überzeugen in sämtlichen stilistischen Herausforderungen, jede/r von ihnen präsentiert sich als eigenständige Persönlichkeit, ausdrucksstark und technisch auf hohem Niveau. Die Acht stammen aus Japan, Brasilien, Kanada, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland, einige wurden in John Neumeiers Schule des Hamburg Balletts ausgebildet. Über 20 Jahre musste der Hamburger Ballettchef auf die Gründung dieser Company warten, die nicht nur in Theatern, sondern auch in Gefängnissen, Altersheimen und auf Festivals auftreten wird. Als Übergang zwischen Ausbildung und professionellem Engagement bietet sie noch eine gewisse Schutzzone, die dem Nachwuchs Mut zum Tanzen, aber eben auch zum eigenen Choreografieren machen soll. Den haben sie schon jetzt und keine Angst vor großen Fragen und schwierigen Themen: „Is peace the hardest work?“ Das Publikum antwortet erwartungsgemäß mit Schweigen. Und mit viel Applaus.
Text: Dagmar Ellen Fischer
Foto: Melanie Ferreira Caetano