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Nicht mehr zu speziell

Vanessa Czapla über ihre Erfolge in Hamburg und ihren Ortswechsel
Vanessa Czapla

Vanessa Czapla

Die 24-jährige Schauspielerin Vanessa Czapla gehörte in den letzten Jahren zum Team um die Regisseurin Nina Pichler sowie die Autorin und Regisseurin Nino Haratischwili, das in den kleinen Altonaer Theatern Monsun und Lichthof beachtliche Inszenierungen auf die Bühne brachte. Für die Rolle der Jenny Martinek unter Nina Pichlers Regie in Nino Haratischwilis Stück „Atmen“ erhielt sie 2011 den Rolf-Mares-Preis. Inzwischen spielt Vanessa Czapla in ihrem ersten festen Engagement am Deutschen Theater Göttingen. GODOT sprach mit ihr über feste und freie Theaterarbeit, über Hamburg und darüber, was für Folgen es hat, immer das Küken zu sein.

Seit Beginn dieser Spielzeit sind Sie am Deutschen Theater Göttingen fest engagiert. Traurig, Hamburg verlassen zu haben?

Ich freue mich riesig darüber, dass es mit Göttingen geklappt hat. Das ist eine ganz neue Erfahrung. Aber Hamburg ist für mich nicht aus der Welt. Ich habe immer einen Schlafplatz hier. Ich habe hier viele Freunde und meine Eltern wohnen in Schleswig-Holstein. Altona/Ottensen, das bleibt mein Kiez. Hier habe ich gewohnt, meine Ausbildung absolviert und hauptsächlich Theater gespielt. Immer, wenn ich mit dem ICE nach Hamburg reinkomme, ist es schön.

Sie haben hier ja auch in den letzten Jahren einige Erfolge gefeiert …

Dabei bin ich nie so richtig warm geworden mit dieser Stadt. Erst jetzt, als ich wegzog, habe ich gemerkt, was ich an Hamburg habe.

Wie haben Sie Nina Pichler kennengelernt, in deren Regie Sie ihre beiden herausragenden Hamburger Rollen am Monsun Theater („Die zweite Frau“, „Atmen“) gespielt haben?

Der Direktor der Frese-Schule (Hamburger Schauspiel-Studio Frese), an der ich meine Ausbildung absolviert habe, hat Nina Pichler auf mich aufmerksam gemacht. Die hatte aber noch nichts von mir gesehen. Nach unserem ersten Treffen habe ich ihr in einem Keller in der Nähe schnell etwas vorgespielt. Ihre Reaktion war: „Genau das suche ich“.

Insbesondere die Rolle der Jenny Martinek in „Atmen“ hat es in sich. Der ganze erste Teil des Stückes besteht aus einem einzigen Monolog Ihrer Figur …

Ich wusste genau, was Nina wollte, nämlich vor allem kein Betroffenheitstheater. Ich habe parallel zu „Atmen“ sogar noch Weihnachtsmärchen gespielt.

Haben Sie die Jenny Martinek, eine junge Frau, die furchtbar viel Wissen von sich gibt und ein tolles Filmprojekt machen will, sofort nachempfinden können?

Ihr Suchen nach Identifikation ist nicht weit von jungen Schauspielern. Die Philosophen, von denen sie spricht, kannte ich allerdings nicht. Da brauchte ich Nachhilfe. Ich hatte am Anfang das Gefühl: Ey, über was rede ich hier? Ihre Angst zu versagen konnte ich nachvollziehen. Ihr Verlorensein, sich hinter Fassaden zu verstecken, kam mir dagegen fremd vor. Es ist aber gut zu scheitern.

Sind Sie auch so rotzfrech wie Jenny Martinek?

Das ist bestimmt eine Facette von mir. Ich bin nicht auf den Mund gefallen. Ich war immer die Jüngste. Da muss man sich durchsetzen. Ich habe meine Schauspielausbildung mit 22 abgeschlossen. Auch jetzt in Göttingen bin ich wieder das Küken.

Da wussten Sie also schon früh, dass Sie Schauspielerin werden wollten?

Nein, gar nicht. Meine Mutter wollte, dass ich Klavier spiele. Das klassische Klavier habe ich aber nicht verstanden. Ich habe mich dann auf einen Kompromiss mit ihr geeinigt. Ich durfte mir ein Instrument aussuchen und wählte Schlagzeug, hatte schon einen Studiengang empfohlen bekommen. Dann bin ich am Schultheater eingesprungen und habe noch einen Workshop gemacht und gemerkt, Stimme und Sprache ist meine Sache und nicht Musik.

Sie wurden in Braunschweig geboren und wuchsen in Thüringen auf. Wie kamen Sie nach Hamburg?

Hamburg war für mich immer klar. Ich wollte auch immer an die Frese-Schule.

Und nun Göttingen. Eine ganz andere, neue Umgebung.

Ja, Göttingen ist sehr klein. Aber eine Universitätsstadt mit vielen Studenten. Spannend ist aber erst einmal das feste Engagement an einem Theater.

Ist das immer Ihre Perspektive gewesen?

Nein, ich mache es der Erfahrung wegen. Es ist schön wegen des Kontrastes zu meinem bisherigen freien Dasein. Ich freue mich auch, dass mein Typ mal gefragt ist. Bisher war ich den Theatern immer zu speziell – ein Typ, den sie meinten, nicht vielseitig einsetzen zu können. Jetzt kam die Verbindung über Nina Pichler, die auch bereits in Göttingen gearbeitet hat. Der Intendant hatte mich gesehen. Ich habe dort schon in der letzten Spielzeit gespielt. Die können mich einsetzen.

Hat Sie etwas am festen Engagement überrascht? Was empfinden Sie als besonders anders?

Ich war total überrascht, dass mich das Ensemble mit offenen Armen empfangen hat. Das hat mich tief beeindruckt. Überhaupt ist die Atmosphäre sehr gut. Selbst, wenn die Fetzen fliegen, respektiert man sich voll. Außerdem muss ich jetzt für nichts mehr sorgen bei den Inszenierungen. Es gibt Bühnenarbeiter, Kostümbildner. Es wird einem alles abgenommen. Und ich bekomme ein festes Gehalt. Das ist Luxus! Ich war gewohnt, dass ich viel mehr für mich verantwortlich war.

Allerdings ist die Arbeit auch sehr zielorientiert in Richtung wirtschaftlichem Erfolg. Es geht um Verkaufszahlen. Da bleibt nur wenig Zeit für Proben. Das ist schon manchmal frustrierend knapp. Ich möchte mir zu einem Stück, an dem ich arbeite, eigentlich so viel Literatur reinpfeiffen, wie ich möchte.

Toll ist auch, dass wir hier richtige Theatertypen haben, die seit Jahrzehnten mit viel Herzblut dabei sind. Es ist eine sehr geschlossene Welt.

An wie vielen Stücken wirken Sie in Göttingen schon mit?

An vier Stücken: „Der goldene Drache“, „Fest und Begräbnis“ (Fortsetzung von Thomas Vinterbergs „Fest“), „Peter Pan und die Insel der verlorenen Jungs“ und „Gut gegen Nordwind“, eine Liebesgeschichte. Ziemlich verschiedene Rollen.

Und wie lebt es sich so in Göttingen?

Ganz wunderbar! Göttingen ist sehr grün. Die Umgebung ist ein Traum. Wenn es möglich ist, gehe ich raus in die Natur. Ich jogge viel. Ich habe hier meinen eigenen Raum, eine eigene Wohnung, in der Nähe der Leine. Die brauche ich jetzt. In Hamburg habe ich immer in WGs gelebt.

Übrigens hat Nino Haratischwili hier in der Nähe „Atmen“ geschrieben. Den Namen des Dorfes, in dem Jenny Martinek ihren Film drehen will, hat sie aus der Umgebung von Göttingen. Der Kreis hat sich geschlossen.

Das Interview führte Christian Hanke
Foto: Christoph Mannhardt

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